Kinderfernsehen/Erlebnisbericht

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Fast ein 'Kinderstar'...

Für uns als Berliner Schüler war es nichts Ungewöhnliches, hin und wieder bei DEFA- oder Fernsehfilmen Statistenrollen zu übernehmen. Das Fernsehen saß in Adlershof, und manchmal tourten die Fernseh-Heinis durch die Schulen und sammelten Kinder ein. Ich erinnere mich noch gut an einen sagenhaft dümmlichen Dreh mit Heinz Rennhack ?. Da standen wir im Kulturpark ? im Plänterwald um ein rundes Gatter, wo Rennhack irgendwas mit einem Eselchen aufführte, die Kamera fuhr immer im Kreis, um Bewegung zu erzeugen. Wir 20-30 Kinder mussten klatschen und fröhliche Gesichter machen. Das war aber auch ganz einfach, denn immerhin kriegten wir für eine knappe Stunde Rumstehen und Klatschen 10 Mark. Das fanden wir ziemlich viel.

1987 lag die Sache aber ganz anders. Da bin ich vom Kinderfernsehen für die Hauptrolle im Film "Der Schulweg" gecastet worden, männliche Hauptrolle müsste man sagen, aber so richtig passte das damals noch nicht. Dass mir die Erwachsenen ständig sagten, ich sähe so toll aus, und dass sich immer jüngere Mädchen an mich hängten, ging mir auf den Keks, stolz war ich nicht darauf. Und dass die Fernsehleute auch so dachten, hat mich eigentlich geärgert. Es lief so ab:

Gegen Ende der 6. Stunde kamen 2 Leute vom Fernsehen in die Klasse, haben irgendwas von dem Film erzählt, aber nur ganz kurz (hab gar nicht hingehört). Dann haben sie vor der Klasse ausgerechnet auf mich gezeigt und mich heraus gebeten, im Prinzip völlig peinlich. Draußen drückten sie mir einen Einladungszettel mit einem absolut unlesbar kopierten Text in die Hand. Den sollte ich lernen und dann und dann in Adlershof sein.

Den Text hab' ich gar nicht gelernt, bin einfach so hingegangen. Wir waren etwa 6 oder 7 und mussten in einem Vorraum warten. Dann wurden wir einzeln hereingerufen und sollten die Szene - das war auf einem (gedachten) Bootssteg - halbwegs lebensecht spielen. Mangels Textkenntnis hab' ich improvisiert, und das hat offenbar gepasst. Jedenfalls hatte ich sofort die Zusage (wieder peinlich, die anderen durften gehen, nur ich blieb da).

Später hab' ich überlegt, ob die uns nicht auch beim Warten schon beobachtet haben. Auf dem Tisch im Vorraum stand ein altes schwarzes Telefon, und ein paar Zeitungen lagen rum. Da hab' ich mir aus Langeweile die Kleinanzeigen angeguckt, eine war besonders gut: "Anteil an Rennpferd zu verkaufen". Prompt hab' ich da angerufen und kriegte auch jemand ans Rohr. Von dem wollte ich wissen, um welchen Teil es ginge, und wie er mir den Anteil zukommen lassen würde, gekühlt oder nur in Zeitungspapier? Der Typ am anderen Ende hat mitgespielt, hat schließlich gesagt, sie hätten schon alles aufgegessen.

Aber egal, letztlich ist doch nichts draus geworden - aus dem Dreh. Der Produktionstermin wurde immer wieder rausgeschoben, und mir wurde das zu blöd. Wenn man Zeit hat nachzudenken, kriegt man Angst vor der eigenen Courage. Derweil hatten mir die Fernsehleute noch die Rolle des Gavroche im gleichnamigen Film angeboten, aber da hatte ich schon ganz andere Sorgen. Ein Anruf, dass sie mit mir nicht mehr rechnen sollten, und schon hatte ich meine angesteuerte Filmkarriere beendet.

In miesen Momenten, wenn aller Mist aus den Jahren und Jahrzehnten wieder hochkommt, dann denke ich schon mal: Was wäre gewesen, wenn Du das durchgezogen hättest? Die beim Kinderfernsehen waren ja voll auf mich abgefahren und wollten mich unbedingt haben. Das Gavroche-Angebot war eigentlich ein Knaller, ein ziemlich unbedeutender Film letztlich, aber mit hohem Prestige und "Klassenkampf-Faktor". Das Victor-Hugo-Fragment war Pflichtlektüre in der Schule. Aber dann sehe ich meinen "Ersatzmann" von damals in einer SAT.1-Vorabendserie und denke: "tja, Gavroche 2. Wahl, und was ist aus Dir geworden?" und bin eigentlich ganz zufrieden, so unbekannt und unauffällig.
Erfolg ist gar nichts, der wahre Luxus besteht darin, sich das Versäumen von Gelegenheiten zu leisten. Und da kann ich eine ansehnliche Bilanz vorweisen...







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