Großfahndung Uckro

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Die Großfahndung Uckro (auch Luckauer Krieg oder Tschechenkrieg) war die größte Mobilisierung der bewaffneten Streitkräfte der DDR - und sie wurde zu ihrer größten Blamage. Die Fahndung galt 5 jungen Tschechen, die im Oktober 1953 versuchten, über das Gebiet der DDR nach Westberlin zu fliehen. Dort wollten sie sich der US-Armee anschließen, die ihrer festen Überzeugung nach in Kürze dem Warschauer Pakt den Krieg erklären würde. Diesen Krieg wollten sie unterstützen.
Diese Ansicht war damals nicht ungewöhnlich - sie entsprach der offiziellen Propaganda der amerikanischen Regierung, die durch Radio Free Europe über den Eisernen Vorhang getragen wurde. Eine komplette Spezialeinheit der US-Armee bestand aus osteuropäischen Flüchtlingen, von denen viele ebenfalls über die DDR nach Westberlin geflohen waren. Wie sich im Zuge der Fahndung herausstellte, hatten die 5 Tschechen in ihrer Heimat bereits mehrere Überfälle und Anschläge verübt, bei denen 3 Menschen ums Leben gekommen waren. Anführer der Gruppe waren die Brüder Josef (*1932) und Ctirad Masin (*1930). Ihr Vater, ein tschechischer Offizier, war im Widerstand gegen die Nazis gefallen und posthum zum General ernannt worden. In seinem Testament hatte er seine Söhne aufgerufen, stets gegen Fremdherrschaft und Diktatur zu kämpfen. Seine Familie bezog diese Aufforderung auch auf die sowjetische Fremdherrschaft und die Diktatur des Proletariats. Mit den Brüdern Masin flohen ihre Freunde Zbynek Janata, Vaclav Sveda und Milan Paumer. Auslöser der Fahndung war eine Personenkontrolle am Bahnhof Uckro (heute Luckau-Uckro), bei der die Gruppe das Feuer eröffnete, einen Volkspolizisten tötete und zwei weitere verletzte. Zwar konnte die Polizei am nächsten Tag Zbynek Janata stellen, der den Kontakt zu den anderen verloren hatte, doch das blieb zunächst der einzige Erfolg der Fahndung. Anhaltende Mißerfolge führten zu einer irrationalen Aufstockung der Truppen, die schließlich noch durch Einheiten der Kasernierten Volkspolizei (KVP) sowie durch Einheiten der Roten Armee verstärkt wurden. Angaben über die Zahl der eingesetzten Truppen schwanken zwischen 5.000 Mann (so der interne Abschlußbericht der Volkspolizei) und 20.000 Mann (diese Zahl nannten Polizisten, die sich im Zuge der Fahndung selbst nach Westberlin abgesetzt hatten). Bei einem weiteren Schußwechsel bei Waldow (Spreewaldheide) starben 3 Polizisten, einer von ihnen durch Friendly Fire. Aber auch Vaclav Sveda wurde durch einen Streifschuß verletzt und gab auf. Die übrigen schafften es, 3 Belagerungsringe zu durchbrechen und circa 2 Wochen später tatsächlich Westberlin zu erreichen.

Sie wurden tatsächlich Soldaten der US-Armee, waren aber enttäuscht, daß erhoffte Krieg nicht stattfand. Die Masins leben bis heute in den USA. Nachdem ein Prager Gericht 1995 die Taten der Gruppe für verjährt erklärt hatte, zog Milan Paumer 2001 zurück nach Tschechien.

Nachspiel in der Tschechoslowakei


Vaclav Sveda und Zbynek Janata, die selbst kein Menschenleben auf dem Gewissen hatten, wurden zum Tode verurteilt und hingerichtet. Für die tschechoslowakische Propaganda wurden die Masin-Brüder zum Inbegriff des Klassenfeindes. Im Laufe der Jahre erschienen 3 Bücher, in denen sie im denkbar ungünstigsten Licht dargestellt wurden. Die Soldatenzeitschrift Vojak widmete ihnen 1965 eine vierteilige Serie und einer Episode der "30 Fälle des Major Zeman" diente einer ihrer Überfälle als Vorlage. Eine ständige Ausstellung des Prager Polizeimuseums präsentierte Waffen und Munition, die die Brüder für den Fall ihrer Rückkehr versteckt hatten sowie die Polizeiakten zu ihren auf tschechischem Boden verübten Taten.

Seit der Samtenen Revolution gibt es einen großen öffentlichen Streit um die Brüder. Für die einen sind sie Helden, für die anderen gewöhnliche Kriminelle. Erstere fordern eine staatliche Auszeichnung für die Masins. Die Präsidenten Havel und Klaus haben dieses Ansinnen jedoch abgelehnt.

Der Mantel des Schweigens in der DDR


Solange die DDR existierte, wurde jeder Hinweis auf die Großfahndung Uckro, die sich zur größten Demütigung der Streitkräfte entwickelt hatte, unterdrückt. Auch die "Große Geschichte der Volkspolizei" von 1979 erwähnt die Aktion mit keiner Silbe. Allerdings erschien noch im Frühjahr 1989 in der Reihe "Das Neue Abenteuer" der Titel "Die Masins geben nicht auf". Es handelte sich um die Übersetzung eines der tschechischen Propagandabücher. Ob es sich um ein Versehen handelte oder ob jemand an verantwortlicher Stelle beschlossen hatte, es sei endlich Zeit, den Mantel des Schweigens zu lüften, ist nicht bekannt. Allerdings widmet sich das Buch auch hauptsächlich der Vorgeschichte in der CSSR und widmet der Flucht nur eine knappe Seite. Der Vergleich mit dem 2006 erschienen Buch von Josef Masins Tochter weckt starke Zweifel an der Objektivität von "Die Masins geben nicht auf". Erst 1995 veröffentlichte der ehemalige Volkspolizist Wolfgang Mittmann die ganze Geschichte der Fahndung Uckro in seinen "Großen Fällen der Volkspolizei". Davon inspiriert, drehten Ute Bönnen und Gerald Endres den Dokumentarfilm "Der Luckauer Krieg" - der bis heute einzige deutsche Beitrag, in dem die Brüder selbst zu Wort kommen. Der Film wurde immer wieder heftig kritisiert, weil er das Selbstverständnis der Brüder, Widerstandskämpfer gewesen zu sein, nicht in Frage stellte.

Literatur/ Film


  1. Vrbecký, Franti¨ek: Die Ma¨íns geben nicht auf, Berlin 1989, ISBN 3327008183
  2. Mittmann, Wolfgang Tatzeit. Große Fälle der Deutschen Volkspolizei, Band 1+2, Berlin 1998, ISBN 3360008545
  3. Masin, Barbara (Tochter Josef Masins): Gauntlet, Naval Institute Press, 2006, ISBN 1591145155
  4. Bönnen, Ute & Endres, Gerald: Der Luckauer Krieg - Flucht nach Westberlin






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