Kommerzielle Koordinierung

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Version 11
Der Bereich Kommerzielle Koordinierung (abgekürzt KoKo) im Ministerium für Außenhandel (MAH) entstand ab 1964 unter der Leitung des MfS-Offiziers Alexander Schalck-Golodkowski, welcher 1967 - als Nachfolger des zuvor (kommissarisch) vom MfS eingesetzten Bevollmächtigten Horst Roigk - erster offizieller Leiter des Bereichs wurde. Aufgrund der Tatsache, dass Schalck offiziell als Staatssekretär im MAH fungierte, wurde der Bereich KoKo vereinzelt auch als "Staatssekretariat für Kommerzielle Koordinierung" bezeichnet; dies blieb allerdings vornehmlich auf Berichte des westdeutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) und wirtschaftspolitische Analysen aus BRD-Sicht beschränkt.

Die Tätigkeit des Bereichs zielte auf eine Devisenerwirtschaftung unter Umgehung der offiziellen (legalen) Möglichkeiten des Außenhandels. Als Anleitung diente dabei unter anderem Schalcks Doktorarbeit, die diverse Methoden der Wirtschaftskriminalität und ihre Anwendung im innerdeutschen Handel beschrieb. Die Gewinne aus der KoKo-Tätigkeit gingen direkt an die SED oder das MfS und dienten überwiegend zur Finanzierung geheimer Operationen. Diese Devisen wurden dem eigentlichen Staatshaushalt vorenthalten.

Die Tätigkeit der KoKo umfasste vor allem:

  • Gründung und Betrieb (d.h. Kontrolle, "Anleitung", Gewinnabschöpfung) von Firmen bzw. Firmengeflechten in der DDR und im westlichen Ausland;
  • Einrichtung und Nutzung von Bankkonten, Stiftungen und Holding-Gesellschaften vorrangig in der Schweiz, in Liechtenstein und den Benelux-Staaten zur Ermöglichung größerer Finanztransaktionen. Hintergrund war die Gesetzeslage, dass DDR-Bürger und -Firmen keine Devisenkonten im Inland führen durften. Daher "parkte" die KoKo eingenommene Devisen im Ausland. Gesellschafter der Stiftungen bzw. Zeichnungsberechtigte für die Konten waren der DDR verbundene Ausländer (als so genannte Strohmänner) oder Führungskader der KoKo bzw. des MfS, letztere teilweise unter falschen Namen;
  • "fachliche Anleitung" der Parteifirmen im NSW;
  • "fachliche Anleitung" von Außenhandelsfirmen, die direkt auf MfS-Initiative gegründet wurden oder vorrangig für die Hauptverwaltung Aufklärung bzw. den Mil-ND tätig waren (ASIMEX, Transinter, Ingenieur-Technischer Außenhandel ?)
  • Beschaffung von Embargogütern;
  • nachrichtendienstliche Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit. Informationen über die westlichen Handelspartner wurden an die Hauptverwaltung Aufklärung oder an andere Stellen im MfS weitergegeben, manchmal auch zur Erpressung ausgenutzt.

Die Tätigkeit des Bereichs Kommerzielle Koordinierung unterlag weitgehend der Geheimhaltung und war deshalb in der DDR-Öffentlichkeit bis zum Herbst 1989 praktisch unbekannt.

KoKo-Methoden zur Devisenerwirtschaftung (Auswahl):

  • Vertreterfirmen - siehe dort.
  • Steuerbetrug - Unter Mithilfe westdeutscher Partner wurden z.B. für Rohstoffe, Textilien oder Dienstleistungen Preise deutlich über dem marktüblichen Niveau "ausgehandelt". Da in der BRD für den innerdeutschen Handel Steuererleichterungen galten, konnte der westliche Partner umso mehr Steuern sparen, je höher die Preise lagen. Die Steuerersparnis wurde zwischen den Akteuren aufgeteilt bzw. ausgezahlt. Teilweise wurde auch mit Luftbuchungen und Scheinlieferungen operiert, bei denen keine Waren bewegt, sondern nur die westlichen Steuerbehörden betrogen wurden. Beispiel für solchen Betrug: angebliche Lieferungen für das Festspeicherwerk in Zella-Mehlis
  • Falschdeklarationen - Waren aus Billiglohnländern wurden in die DDR eingeführt und z.B. in Haftanstalten umetikettiert. Als angebliche DDR-Produkte konnten sie dann in der BRD wegen der erwähnten Vorzugsbehandlung und Zollfreiheit mit hohem Profit abgesetzt werden. Beispiel für Falschdeklaration: Billig-Textilien aus Thailand
  • Antiquitätendiebstahl - siehe Kunst und Antiquitäten GmbH sowie Antikhandel Pirna.
  • Schmuggel - Mangels westdeutscher Kontrollen an den innerdeutschen Grenzübergängen konnten fast beliebige Waren verschoben werden. Genutzt wurde dafür z.B. die Spedition Deutrans ?. Es gab KoKo-Spezialisten für das unauffällige Aufbrechen und Wiederverschließen von Zollplomben und für alle Arten von Dokumentenfälschung (Lieferscheine, Endverbleibserklärungen). Beispiel: Alkoholschmuggel. Diese illegalen Transportmöglichkeiten wurden auch für verbotene Importe in die DDR genutzt (s.u.)

Das vom Bereich KoKo erwirtschaftete Devisenaufkommen betrug in den 80er Jahren mehrere Milliarden Valutamark p.a., diese Gelder wurden unter anderem verwendet:

  • für die Finanzierung der westdeutschen DKP (ca. 60 bis 70 Millionen DM jährlich) und anderer ausländischer kommunistischer Parteien
  • für den "disponiblen Parteifonds" der SED, der ständig etwa 100 Millionen DM als Reserve enthalten musste
  • für die Versorgung der Spitzenfunktionäre in Wandlitz
  • für illegale Importe westlicher Hochtechnologie (z.B. Mikroelektronik) und von Rüstungsgütern
  • für den "operativen Bedarf" des Ministeriums für Staatssicherheit und der Auslandsspionage, sowie
  • zur kurzfristigen Bewältigung von Versorgungskrisen.

Eine der wichtigsten Aufgaben des Bereichs KoKo war die Beschaffung von Embargogütern, d.h. von Produkten, die auf der so genannten "CoCom-Liste" der westlichen Industrienationen verzeichnet waren und nicht in den Ostblock exportiert werden durften. Dazu zählten etwa Computertechnologie und Produktionsanlagen für die Mikroelektronik oder militärisch verwendbare Güter.

  • Der Bedarf an westlicher Hochtechnologie (z.B. in Kombinaten, Ministerien, Forschungseinrichtungen) wurde nach Freigabe durch das fachlich zuständige Ministerium an die KoKo gemeldet.
  • Vorgeschrieben war eine Prüfung, ob die benötigten Güter oder äquivalente Erzeugnisse alternativ in der DDR oder aus dem RGW-Gebiet beschafft werden konnten. Mangels Überblick über die RGW-Produktion oder wegen schlechter Erfahrungen mit Produkten aus dem Ostblock wurde dieser "Negativbescheid" häufig formal erteilt.
  • Die KoKo suchte dann einen Lieferanten im NSW und aktivierte einen zuverlässigen Zwischenhändler, der den Vertrag abschloss.
  • Die Beschaffung lief in der Regel über Drittstaaten ab (z.B. Schweiz, Österreich).
  • Die Lieferanten aus der BRD (z.B. Siemens, Hoesch), aber auch aus Japan (Toshiba) oder den USA wussten meist, wer der wirkliche Bezieher der Produkte war und halfen mitunter mit Vorschlägen für eine reibungslose Abwicklung.
  • Geliefert wurde an die Zwischenhändler in den Drittstaaten, die gegebenenfalls mit Hilfe der KoKo-Spezialisten gefälschte Endverbleibserklärungen abgaben. Der Lieferant war dadurch vor Strafverfolgung sicher.
  • Die Zwischenhändler sorgten für die Weiterleitung der Waren in die DDR. Dafür wurden beispielsweise die Deutrans ?-Spedition, aber auch die Interflug oder Charterflüge genutzt.
Auf diesem Wege kamen z.B. die "Erfolge" der DDR-Mikroelektronik zustande, nur waren die Kosten für die illegale Beschaffung der Technologie derart hoch, dass die Produktion nicht weltmarktfähig werden konnte.

Zum Bereich KoKo zählten auch Firmen, die Waffenhandel betrieben, z.B. mit Verkäufen von ausgedientem NVA-Material an Entwicklungsländer (IMES GmbH). Ein nicht mehr vollständig realisiertes Projekt war die Produktion der "MPi 940", einer modifizierten Kalaschnikow-Maschinenpistole, die NATO-Munition verschießen konnte. Dieser potenzielle Verkaufsschlager hätte dem Bereich KoKo etliche Milliarden einbringen können, Peru und Indien hatten 1989 bereits Verträge über die Lieferung mehrerer Millionen dieser Waffen abgeschlossen.

  • Mitarbeiter von KoKo:

Wegen der politischen Brisanz seiner Geschäfte besaß der Bereich KoKo eine enge personelle Verflechtung mit dem MfS. Alle KoKo-Führungskader waren OibE oder IM des MfS. Das MfS entschied über die Besetzung der Planstellen, das galt auch für die unteren Ebenen des KoKo-Apparates bis hin zu den Kraftfahrern. Die Bezahlung von Angestellten des Bereichs KoKo lag weit über dem Durchschnittsverdienst.

Die KoKo-Zentrale in Berlin hatte 1989 171 Mitarbeiter, in den zum Bereich KoKo zählenden Firmen arbeiteten etwa 3.000 Personen.

  • Struktur von KoKo:

Zur Struktur der KoKo-Zentrale siehe dort.


Weitere Beispiele für KoKo-Firmen:


Der Bereich Kommerzielle Koordinierung (abgekürzt BKK) im MAH darf nicht verwechselt werden mit der Arbeitsgruppe Bereich Kommerzielle Koordinierung im Ministerium für Staatssicherheit. Der OibE Schalck-Golodkowski bezog seine MfS-Entlohnung als Mitarbeiter der dortigen Arbeitsgruppe Bereich Kommerzielle Koordinierung, offiziell - als Leiter - fungierte er jedoch nur im Bereich KoKo.






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