VEB Fotochemisches Kombinat Wolfen

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Die Filmfabrik Wolfen als Stammsitz des VEB Fotochemisches Kombinat Wolfen entstand nach dem Krieg aus der Wolfener Fabrik der IG Farben. Anfangs firmierte man unter dem bekannten Markenzeichen Agfa, bis es in den 60er Jahren zum Markenstreit mit dem westdeutschen Pendant kam. Daraufhin führte man die neue Marke ORWO ? (ORiginal WOlfen) ein.

Agfa Wolfen war die bedeutendste Filmfabrik Europas. Dort wurde der erste praktikable Mehrschichten-Farbfilm der Welt erfunden.

ORWO Wolfen wurde nach dem Krieg teilweise demontiert. Der Betrieb hatte 15.000 Beschäftigte, davon 8000 Frauen, und war damit der Betrieb mit dem größten Frauenanteil in der DDR. Das Kombinat wurde ab den 70er Jahren durch eine Frau, die Generaldirektorin Dr. Brunhild Jaeger geleitet.

Der Sitz der Kombinatsleitung befand sich im ehemaligen Hauptgebäude der Sparte III der IG-Farben in Wolfen. Dieses Gebäude ist architektonisch außergewöhnlich. Das Gebäude steht leer; der heutige Eigentümer Preiss-Daimler hat keine Verwendung.


Versuch eines geschichtlichen Abrisses (vielen Dank an B.H.!), muß noch stark gekürzt werden:

  • Anlaß für Bau der Filmfabrik Wolfen: Ersatz der zerbrechlichen Glasplatte durch die biegsame Zelluloid-Unterlage und die Konkurrenzsituation auf dem Weltmarkt
  • die Errichtung einer neuen Filmfabrik war 1908 in Greppin geplant
  • der Bau wurde auf 1909 verschoben, der Standort sollte dann Wolfen sein
  • günstige Voraussetzungen: gute Verkehrsverhältnisse, Mulde-Wasserversorgung, vorteilhafter Energiepreis, billiges Bauland, niedrige Löhne
  • Probleme damals: Kenntnisse über Emulsionsprozeß fehlte, geeignete Gelatine fehlte, Abhängigkeit der Emulsion von der Qualität des Wassers dadurch Fäulnisprozesse im Hochsommer
  • Bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges setzte die deutsche Kineindustrie Kodak-Produkte ein, Agfa verkaufte hauptsächlich ins Ausland
  • Mit Beginn des 1. Weltkrieges Drosselung der Filmproduktion
  • Ab 1916 Erstarken des Kriegsgeschäftes insbesondere Fliegerfilm und Klarscheiben für Gasmasken, Propagandazwecke, Atemeinsätze für Gasmasken
  • Auf Veranlassung der Chemischen Abteilung des Kriegsministeriums ab 1917 Einrichtung einer Abfüllstelle für Gaskampfstoff Clark (täglich 15.000 Flaschen)
  • Arbeitszeit damals 10 Stunden, Lohn männlich 30-42 Pf/h, Handwerker 36-57 Pf/h, Urlaub nach 5 Jahren 4 Tage, nach 10 Jahren 6 Tage
  • Am Ende des Krieges 1918 hatte die Agfa-Filmfabrik Wolfen 50 Gefallene
  • Bis in die zwanziger Jahre konnte kein mit dem Kodakfilm konkurrenzfähiges Kine-Negativ-Material geschaffen werden
  • Im Jahre 1920 wurde in der Filmfabrik ein wissenschaftliches Laboratorium mit eigenen Forschungsaufgaben errichtet
  • 1923 erfolgte fabrikmäßige Umstellung der Filmherstellung vom Trocknen im Luftstrom zur Trocknung mit wenig Luft im Umluftverfahren bei gleichzeitiger Lösungsmittelrückgewinnung
  • ab 1921 Produktion von Röntgenfilm anstatt der bisher verwendeten Glasplatten für die Röntgenfotografie, verwendet wurde dafür ein beidseitiger Beguß des Filmes zur Steigerung der Empfindlichkeit
  • ab Mitte der 20er Jahre Produktion für die Amateur-Kinematographie auf Basis 16 mm Film
  • 1927 Aufbau einer Anlage für die Kunstfaserherstellung
  • 1929 wurde die technisch-wissenschaftliche Abteilung geschaffen mit Schwerpunkt der Neubearbeitung (neue Fabrikationsprodukte)
  • bis Mitte der 30er Jahre Entwicklung von Spitzenerzeugnissen wie panchromatischer Amateurfilm, panchromatischer Rollfilm, neue Produkte für Infrarotfotografie, Verbesserung der Lichthofschutzfarbstoffe, Steigerung der Lichtempfindlichkeit, Erhöhung der Haltbarkeit von Filmen
  • 1932 Verlegung der Fotoplattenfabrik von Berlin nach Wolfen
  • 1931 Verlegung der Berliner Veredlungsbetriebe incl. Färberei sowie der Kunstseidenzentrale Berlin nach Wolfen
  • Belegschaftsentwicklung: 1911: 256; 1916: 827; 1920:2125; 1925:4449; 1930:4360; 1935:6669; 1940:10610; 1944:11191
  • 1934 Produktion von PCU-Borsten und Drähten (z.B. für Besen)
  • 1936 neue Zellwollefabrik - deren Produktion 1944: 100 t
  • 1937 strebte die Filmfabrik danach, den Titel "Nationalsozialistischer Musterbetrieb" zu erhalten
  • 1935 wurde der Farbfilm Agfacolor entwickelt und 1936 auf den Markt gebracht
  • seit 1935 W-Betrieb (Wehrmacht), Kunstseide und Zellwolleproduktion wurde zur Herstellung von Fallschirmen, Fahrzeugreifen, Schnüre, Kartuschbeutel, Militärtuche benutzt
  • 1939 entstand auf Agfa-Material der erste kurze Spielfilm und 1941 der große farbige Spielfilm "Frauen sind doch die besseren Diplomaten"
  • ab 1939 Aufbau neuer Viskose-Kordseidenanlagen deren Produktion 1944: 4886 t; damals größte Anlage in Deutschland
  • 1938 Interesse des Militärs an der Farbfotografie (Reichsluftfahrministerium u.a.) für Luftbildwesen, Darstellungen für Unterrichtszwecke, dokumentarische Aufnahmen an den Fronten und im Führerhauptquartier, Werbemittel; das OK der Luftwaffe erklärte den Colorfilm für "besonders kriegswichtig"
  • Produktionseinschränkungen im Kriege durch Rohstoffknappheit ; Engpässe waren: Faserholz, Fotogelatine, fetthaltige Textilhilfsmittel, Hilfsmaterial für Emballagen, Schwefelkohlenstoff, Natronlauge, Schwefelsäure
  • Ausländereinsatz in der Filmfabrik (jeweils im Dezember): 1940:931; 1941:2020; 1942:3838: 1943:4186; 1944:4900; Höchster Stand Januar 1945 mit 5095
  • Aus der Direktionskonferenz vom 7. April 1945: Zahl der Gefallenen der Filmfabrik: 419; Zahl der Vermissten: 203; Zahl der Gefangenen: 70
  • Februar/März 1945: Auslagerung wichtiger Akten, Vorschriften, Zeichnungen.... nach Tambach, Sehma sowie Werke in Süddeutschland
  • Kriegsschäden an Rohstofflägern, Kunstseidenfabrik, Versandbetrieb, Baubetrieb, Salzlager, Lagerschuppen, Schornstein
  • In der Nacht vom 14./15. April 1945 erreichten US-Einheiten Wolfen
  • Anfang Juli 1945 übernahmen Sowjettruppen die Filmfabrik
  • Die Agfa-Geheimnisse hörten auf zu existieren
  • Der Koslowsky-Effekt wurde allgemein bekannt (sprunghafte Empfindlichkeitssteigerung durch Goldsalzspuren)
  • Bei Rückzug der Amerikaner (bis 30. Juni 1945) nahmen diese bedeutende Rohstoffe und Fachkräfte mit
  • Besetzung der Filmfabik am 1. Juli 1945 durch russische Truppen
  • Mit Befehl Nr. 9 vom 21. Juli 1945 ordnete Marschall Shukow Maßnahmen zur Wiederaufnahme der Produktion an
  • Sehr große Beschaffungsprobleme an Rohstoffen
  • III. Quartal 1945: Aufnahme Kunstseide- und Schwammproduktion; IV. Quartal 1945 Produktionsaufnahme S-Zellstoff, Hefe, PC-Fasern; I. Quartal 1946: N-Zellstoff
  • Mit Befehl Nr. 124 der SMAD vom 30.10.1945 ging die Filmfabrik in SMAD-Eigentum über
  • Mit Befehl Nr. 156 der SMAD vom 22.Juli 1946 wurde die Filmfabrik als Reparationslieferung an die UdSSR ausgewiesen
  • Filmfabrik wurde zum Hauptbetrieb der sowjetischen staatlichen Aktiengesellschaft Foto-Kinefilmindustrie "Fotoplenka" als SAG-Betrieb
  • Generaldirektor an diesem Zeitpunkt Oberstleutnant Mumschijeff
  • In dieser Zeit sowjetische Demontagen vor allem in den Film- und Energiebetrieben, nicht im Faserbereich
  • Unter den Demontagen waren: 12 Gießmaschinen, ? Höchstdruckkessel zur Dampferzeugung, 1 Turbine mit Generator, 16 Trafos, 6 Kompressoren, insgesamt wurden 60% der Filmproduktionsanlagen demontiert
  • Arbeitnehmereanzahl am 1. Januar 1948: 8433
  • Fabrikationsneuaufnahmen 1946-1949: Fotografische Papiere, Lichtpauspapier, Lederaustauschstoffe, Zellstoff, Zellwatte, Bindefäden, Dederonseide, Dederonborsten und ?drähte, Angelschnur, Damenbinden, Taschentücher, Viskosedärme
  • Aufbau von Produktionsanlagen für Magnetfilme und Magnetbänder, Klebstoffen (Duosan), Kitte und Kleber für Filme, Perfol-Folien
  • Übergabe der Filmfabrik aus sowjetischem Eigentum an die DDR: zum 1. Januar 1954
  • Danach verstärkter Aufbau eines Gesundheitswesens im Werk, Neue Produktionslinien, Produktionssteigerungen
  • 30. Juni 1966: weibliche Beschäftigte: 7494; männliche Beschäftigte: 6603
  • seit 1. April 1964 Umbenennung in "Volkseigener Betrieb Filmfabrik Wolfen" unter dem Firmennamen ORWO; Grund waren Streitereien um die Markenrechte AGFA mit Agfa Leverkusen
  • in der Folgezeit Modernisierung der Produktion, Aufbau neuer Produktionsstrecken, Werkserweiterungen
  • U.a. standen 1989/1990 folgende Produktionskapazitäten im Filmbereich bzw. Energiebereich für den Filmbedarf bereit:
    • Betrieb Emulsionsherstellung:
      • 6.000 t/a Fotoemulsion;
      • 300 t/a Kupplerdispergate
    • Betrieb Zwischenprodukte: 600 t/a Zwischenprodukte und Farbkuppler
    • Betrieb PETP-Wäscherei: 600 t/a PETP-Folie
    • Betrieb CA-Filmwäscherei:
      • 2400 t/a AC-Folie;
      • 50 t Silber/a
    • Betrieb Gießerei:
      • Gießerei III/IV: 17,4 Mio m²/a
      • Gießerei V: 13,4 Mio m²/a
    • Betrieb Begießerei:
      • Begießerei VI: 16,7 Mio m² Begußfläche
      • Begießerei VI: 11,5 Mio m² Begußfläche
      • Begießerei VII: 16 Mio m² Begußfläche
    • Betrieb Filmaufarbeitung
      • Geb. 0113: 11 Mio m²/a
      • Geb. 0171: 2,2 Mio m²/a
      • Geb. 0178: 1,9 Mio m²/a
      • Geb. 0198: 2 Mio m²/a
      • Geb. 192/93/94: 1 mio m²/a
      • Kleinbildaufarbeitung: 53 Mio Stück/a
      • Blechpatronenherstellung: 13,4 Mio Stück/a
      • Magnetband: 900 Mio Mm/a
      • Kistenfertigung: für 1,2 Mio Mark/a

Dafür wurden gewaltige Energiemengen benötigt:

  • Ca. 282.000 t Dampf/a
  • 378000 GJ Kälte und Lüftung
  • 74750 MWh/a Elektroenergie
  • 1800 Tm Wasser/a

Entsorgungsmengen im Bereich Filmherstellung 1989:

  • Ca. 1000 m/d soziale Abwässer
  • 1000 m/d belastete Abwässer
  • 4500 t/a Emissionen
  • 24.000 t Lösungsmittelabfälle/a
  • 2600 t silberhaltiger Schlamm

Beginnend 1990 allmähliche Abwicklung der Filmfabrik, Rückbau nicht mehr benötigter Anlagen, Sanierung von Flächen, bis jetzt (2004) anhaltend






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