Zentraler Runder Tisch

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Version 1
Als Runder Tisch wurden die ab Ende 1989 zusammengestellten Gremien aus Vertretern verschiedener, damals vermeintlich entscheidender gesellschaftlicher Gruppen bezeichnet, die eine Art "Nebenregierung" bildeten. Sie versuchten, das durch die Vertrauenskrise der SED-Führung und die Paralyse der ehedem die gesamte Politik bestimmenden Partei entstandene Machtvakuum zu füllen. Die Runden Tische nahmen Aufgaben der Legislative und der Exekutive wahr, obwohl sie weder gewählt waren noch sonst eine demokratische Legitimation besaßen. Teilnehmer waren Vertreter der Kirchen, der neu gegründeten oder "gewendeten" Parteien inklusive der eigentlich noch regierenden SED/PDS, Künstler, Intellektuelle und sonstige mehr oder minder populäre Personen des öffentlichen Lebens.

Der Zentrale Runde Tisch in Berlin war wegen der historisch bedingten zentralistischen Machtkonzentration derjenige mit dem größten Einfluss. Zu den Äquivalenten in den Bezirken gab es allenfalls lose Kontakte (oft eher über die Medien), selten planvolle Kontakte bzw. Abstimmungen und erst recht kein Unterstellungsverhältnis. Die jeweiligen Runden Tische fanden sich nach dem Vorbild ähnlicher Ansätze in Polen kurz zuvor relativ spontan zusammen (siehe Anmerkung unten) und bemühten sich um die Lösung drängender aktueller Probleme in ihrem Einzugsbereich.

Der Berliner Zentrale Runde Tisch begann seine Tätigkeit am 7. Dezember 1989 und arbeitete bis zum 12. März 1990, kurz vor den ersten (und letzten) freien Wahlen zur Volkskammer. Der Zentrale Runde Tisch beeinflusste viele Entscheidungen der Übergangsregierung Modrows spürbar. Wegen seiner Bedeutung für das weitere Schicksal des Landes erhielt er großes Medieninteresse, z.B. in Form von Sondersendungen des Fernsehens und lange Beiträge in der Aktuellen Kamera. Versammlungsort war ein Gebäude der evangelischen Kirche im Stadtbezirk Mitte unweit der Spree und des Bahnhofs Friedrichstraße, wo normalerweise Veranstaltungen der Evangelischen Akademie stattfanden.


Am Rande war zu bemerken, dass dieser "Runde Tisch" mitnichten rund war - es war vielmehr ein aus einfachen Tischen zusammengeschobenes Rechteck. Am Zentralen Runden Tisch waren neben den Sitzen der Kirchenvertreter und der Regierung 39 Plätze für Parteien und Organisationen vorgesehen.

Wegen der bis kurz zuvor bedingungslos auf Weisung der SED agierenden Blockparteien und Massenorganisationen war der vermeintlich SED-treue Flügel in der Mehrheit. Daher war zu erwarten, dass z.B. die in der Volkskammer vertretenen Gruppierungen (wie etwa der Kulturbund oder der DFD) überwiegend zu Gunsten der SED/PDS votieren würden. Aus verschiedenen Gründen trat aber genau dies nicht ein. Die vermutlich beste Erklärung dafür dürfte in den starken Verselbstständigungstendenzen zu finden sein, welche die übrigen Parteien und überlebensfähigen Organisationen damals erfassten. Die wenige Monate zuvor noch bedingungslos "auf Linie" befindlichen Organisationen suchten in dieser Phase ihr Heil nur noch in der Flucht. Ein entsprechend harsches Auftreten am (Zentralen) Runden Tisch sollte den künftigen Wählern Abstand zur SED/PDS signalisieren.

Anmerkung:
Eine besondere historische Merkwürdigkeit bestand darin, dass am Zentralen Runden Tisch - wie auch in den regionalen Gremien - eine beachtliche Zahl von Stasi-IM vertreten war. Sie taten sich entweder auf Weisung ihrer Führungsoffiziere oder nach Abbruch des Kontakts aus eigenem Antrieb speziell mit Stasi-/NaSi-kritischen Aktionen hervor. Klassische Beispiele dafür waren in Berlin Ibrahim Böhme und Wolfgang Schnur.

Es war eine kaum schlagbare Pointe der Geschichte, dass diese wohl zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit der IM gedachten Aktivitäten letztlich das Ende der Staatssicherheit herbeiführten: Denn durch die Konspiration des MfS wussten nicht nur die IM nichts voneinander. Auch die Koordination ihrer Einsätze war nicht mehr gewährleistet. Das Improvisieren z.B. von Böhme und Schnur am Zentralen Runden Tisch beruhte auf dem selben Prinzip der Eskalation und Radikalisierung, mit dem die Stasi bis dato die Opposition zu möglichst strafbewehrten Handlungen provoziert hatte.
 In dieser Situation nun stimmte auf Initiative Böhmes eine breite Mehrheit am Zentralen Runden Tisch für die ersatzlose Auflösung des MfS. Darunter waren in Berlin mindestens 7 IM, die sich nicht durch Gegenstimmen verdächtig machen wollten. Die Modrow-Regierung sah sich gezwungen, den Auflösungsbeschluss zu fassen.






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