Abschlussbericht über die Auflösung der ehemaligen HVA

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Dokument:

Der so genannte Abschlussbericht über die Auflösung der ehemaligen HVA, den der vormalige Oberst und Leiter der Abt. A I, Bernd Fischer ?, als Chef der Gruppe zur Auflösung der HVA dem AfNS-Auflösungsbeauftragten Günther Eichhorn ? Ende Juni 1990 übergab.

Faksimile der ersten Seite des Berichts (S. 1 von 12).


Hauptverwaltung Aufklärung
 - in Auflösung -

Berlin, 25. Juni 1990

ABSCHLUSSBERICHT
über die Auflösung der ehemaligen HVA

Am 20. 2. 1990 beschloß die Arbeitsgruppe Sicherheit des Zentralen Runden Tisches die ersatzlose Auflösung der HVA. Dazu erfolgte am 23. 2. 1990 ein gesonderter Antrag des Regierungsbevollmächtigten zur Beschlußfassung über die weitere Auflösung der HVA. Der Beauftragte des Ministerpräsidenten und das Komitee zur Auflösung des AfNS legten die Grundlinie der Auflösung der HVA in folgenden Hauptpositionen fest:

  • Bestandteile der ehemaligen HVA, die bisher im Dienstobjekt Normannenstraße stationiert waren, haben ihre über den 31. 3. 1990 hinausgehenden Abwicklungsaufgaben zur Auflösung bis zum 30. 6. 1990 abzuschließen;

  • die bisherigen Dienstgebäude zügig den Nachnutzern zu übergeben;

  • mit ihrem drastisch verringerten Mitarbeiterbestand (zunächst 250), der planmäßig weiter zu reduzieren ist, ihre Abwicklungsaufgaben zur ersatzlosen Auflösung im Dienstobjekt Roedernstraße 30 zu realisieren und dafür erforderliches Aktenmaterial, Bürotechnik und notwendige Arbeitsunterlagen dorthin zu überführen.

Die Maßnahmen erfolgten unter Kontrolle der AG Sicherheit des Zentralen Runden Tisches im Zusammenwirken mit dem Bürgerkomitee Normannenstraße und in Abstimmung mit dem Bürgerkomitee des Territoriums.
Die Transporte wurden durch die Volkspolizei realisiert und bis zum 16. 3. 1990 abgeschlossen.
Dem vorangegangen waren Festlegungen zur Reduzierung des Kräftebestandes der HVA auf der Grundlage der Beschlüsse der Koalitionsregierung und insbesondere des Beschlusses des Ministerrates vom 14. 12. 1989, die im Zusammenhang mit der geplanten Formierung eines selbständigen Auslandsnachrichtendienstes standen.

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Bereits in Vorbereitung und mit der Bildung der Koalitionsregierung vom 13. 11. 1989 wurden diesbezügliche Festlegungen getroffen, die Aufgaben der Hauptverwaltung Aufklärung mit einer veränderten, reduzierten Struktur wahrzunehmen.

Der Mitarbeiterbestand der HVA betrug

  • per 31. 10. 1989 = 4.120 - einschließlich Mitarbeiter der Linie XV (Aufklärung) der Bezirksämter für Nationale Sicherheit und OibE bei einer Planstärke von 4.328;

Die Mitarbeiterzahl wurde fristgemäß und planmäßig reduziert.

  • per 30. 11. 1989 = 3.987 - einschließlich Bezirksämter/Abt. XV und 582 Offiziere im besonderen Einsatz (OibE);

  • per 31. 12. 1989 = 2.923 - ohne Bezirksämter/Abt. XV;

  • per 31. 03. 1990 = 246 - Zu diesem Zeitpunkt befanden sich keine Mitarbeiter der Bezirksämter/Abt. XV mehr im Dienst. Die OibE wurden entpflichtet und kadermäßig entlassen.

  • per 02. 05. 1990 = 221
  • per 31. 05. 1990 = 211.

Von den 211 bis Mai 1990 im Arbeitsrechtsverhältnis stehenden Mitarbeitern waren 192 im Objekt Roedernstraße tätig.

Im Zusammenhang mit der Umprofilierung waren im Oktober/November 1989 jene Offiziere im besonderen Einsatz entlassen worden, die als Chiffreure tätig waren und ein neues Arbeitsrechtsverhältnis beim Zentralen Chiffrierorgan fanden.
Des weiteren wurden jene OibE entlassen, die a1s Sicherheitsbeauftragte bzw. Objektssicherungskräfte in Auslandsvertretungen und anderen Einrichtungen der DDR im Ausland tätig waren. Sie wurden abberufen bzw. von ihren Trägerinstitutionen, in der Regel vom MfAA, in ein Dienstverhältnis übernommen. Dieser Prozeß wurde bis Ende Dezember 1989 abgeschlossen.

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Da eine beträchtliche Zahl von Mitarbeitern operativer Diensteinheiten in der Zentrale gleichfalls OibE-Status hatte, ist eine exakte Zwischenzahl nicht mehr anzugeben, da diese mit Verwandlung in den Status des "normalen" Mitarbeiters in der Gesamtzahl enthalten blieben.
Im Zeitraum 31. 12. 1989 - 31. 3. 1990 wurden alle verbliebenen OibE (wie die Mitarbeiter) entpflichtet und kadermäßig entlassen.

Neben der Reduzierung des Personalbestandes und der Umstrukturierung war der Prozeß der Formierung des Auslandsnachrichtendienstes bereits von Ende Oktober 1989 bis Mitte Februar 1990 gekennzeichnet durch eine radikale Reduzierung

  • der finanziellen Mittel,
  • der genutzten KO und KW
  • der Pkw, Lkw und anderen technischen Mittel,
  • der sicherstellenden Kräfte,
  • der Akten und des Karteienbestandes.

Im Zusammenhang mit dem Ministerratsbeschluß vom 14. 12. 1989 war beabsichtigt, den Auslandsnachrichtendienst vom ehemaligen MfS/AfNS und der künftigen Spionageabwehr/Verfassungsschutz zu trennen und ihm seinen militärischen Charakter zu nehmen. In diesem Sinne wurden militärische Strukturen beseitigt, die Abschaffung der Dienstgrade vorgesehen,die vollständige Entwaffnung unter MfIA-Kontrolle vollzogen und die militärischen Ausrüstungsgegenstände an MfIA, NVA oder ZV übergeben. Sämtliche Befehle, Verschlußsachen, Weisungen u. ä. des ehemaligen MfS/ AfNS zurückgesandt, Duplikate wurden vernichtet.
In diesem Prozeß wurden die Bemühungen darauf gerichtet, einen geplanten Umzug des Auslandsnachrichtendienstes in ein anderes Objekt zu gewährleisten und gleichermaßen entsprechend des neuen Profils zu "entschlacken". In diesem Sinne wurden nicht mehr benötigte Materialien und Dokumente vorvernichtet.

Die nachrichtendienstliche Tätigkeit der Hauptverwaltung Aufklärung ist seit dem 24. Februar 1990 vollständig eingestellt. In den meisten Positionen, v. a. in der BRD, erfolgte dies schon wesentlich früher (teilweise Ende 1989). Einzelaktionen zur Abwicklung und Absicherung

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der Beendigung der nachrichtendienstlichen Tätigkeit sowie zur Regelung humanitärer Fragen erfolgen in Ausnahmen noch bis Ende Juni 1990. Dabei wurden und werden keine Aufträge erteilt.

Die dazu noch erforderlichen stark reduzierten Agenturfunksendungen wurden am 31. 5. 1990 beendet.

Die Einstellung der Arbeit erfolgte entsprechend der politischen Grundlinien und Festlegungen der Regierung der DDR (s. Anträge Regierungsbeauftragter an AGS des ZRT) und zum Schutz der Quellen und beteiligter Personen und unter Berücksichtigung der außenpolitischen Interessen der DDR und ihrer Verbündeten.

Die Zusammenarbeit mit Sicherheitsorganen anderer Staaten wurde eingestellt. Es wurden und werden weder Strukturen noch Agenturen übergeben. Beratergruppen bzw. Verbindungsoffiziere, die in 6 Staaten (Südjemen, Mocambique, Angola, Tansania, Äthiopien, Nikaragua} eingesetzt waren, beendeten im Februar ihre Tätigkeit. Alle Angehörigen sind bis Ende März 1990 in die DDR zurückgekehrt und per 31. 3. 1990 entlassen worden.

Die Arbeit mit allen Residenturen (speziell auch legal abgedeckte Residenturen in AV der DDR) und Agenturen wurde per 24. Februar 1990 beendet. Zum größeren Teil erfolgte das bereits im Dezember 1989. Es wurde ihnen untersagt, Vorgänge, Technik und materielle Werte an andere Geheimdienste oder Landessicherheitsorgane zu übergeben. Offenbarungen/Offenlegung operativen Wissens gegenüber Geheimdiensten oder Landessicherheitsorganen wurde gleichfalls verboten.
Das technische Verbindungswesen wurde eingeschränkt, die Funk- und Kurierverbindung in den LAR in AV bereits Ende November 1989 eingestellt. Die materiellen Fonds der Auslandsresidenturen wurden in Rechtsträgerschaft der Auslandsvertretungen der DDR übergeben. Die Abrechnung der finanziellen Mittel erfolgte strikt vorgangsgebunden.

Durch eine konsequente und planmäßige Arbeit (siehe Anlage) gelang es, den Beschluß der AG Sicherheit des ZRT zu verwirklichen, Alle Mitarbeiter, incl. OibE, aus dem Dienstverhältnis per 31. 3. 1990 zu entlassen. Entsprechend diesem Beschluß sollten in Ausnahmefällen, die begründet sind mit

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  • sozialen Fragen (Arbeitsstelle Ehepartner, Schulbesuch der Kinder, Fehlen einer Wohnung/Arbeit),

  • Erfordernissen der eigenen Sicherheit und Konspiration sowie der Sicherheit der AV und ihrer Arbeit,

  • staatlichem politischen Interesse,

ehemalige OibE ohne zeitliches Limit, ohne operativen Auftrag und Vergütung, in Übereinstimmung mit dem Einverständnis des Betriebes, in dem die Deckungsfunktion ausgeübt wird, die weitere Tätigkeit im Ausland zunächst fortzusetzen und die Rückkehr individuell mit dem jeweiligen staatlichen Leiter regeln.

Alle inoffiziellen Mitarbeiter sind entpflichtet.

Im Zusammenhang mit der Auflösung der Bezirksverwaltungen/Bezirksämter des AfNS stellten auch die Abteilungen XV ihre nachrichtendienstliche Arbeit ein. Das erfolgte zeitlich - mit geringen territorialen Unterschieden - bis März 1990. Seit diesem Zeitpunkt ist der Mitarbeiterbestand der ehemaligen Abteilungen XV vollständig aufgelöst. Sämtliche materiellen Ausrüstungen wie Dienstobjekte, konspirative Objekte und Wohnungen, Kfz und operative Technik wurden unter Kontrolle der örtlichen Komitees übergeben. Da diese Abteilungen in finanzieller und materieller Absicherung den Bezirksämtern unterstanden, liegt in der HVA diesbezüglich keinerlei Übersicht vor.

Der Aktenbestand wurde mit Zustimmung bzw. durch Auflagen der für die Auflösung der Bezirksämter zuständigen Gremien vor Ort vernichtet bzw. im Fall Halle und Potsdam nach Berlin zur Vernichtung transportiert. Der Aktenbestand der Abteilung XV des Bezirksamtes Leipzig lagert noch am Ort. In Magdeburg sind ca. 20 Säcke im allgemeinen Archivbestand des Bezirksamtes eingelagert.

Die Aktenreduzierung des zentralen Bestandes erfolgte entsprechend der Festlegungen der AGS des ZRT unter Kontrolle des Regierungsbeauftragten, des Komitees zur Auflösung des Amtes für Nationale Sicherheit und unter Einbeziehung der lokalen Bürgerkomitees. Sie wurde unter Beachtung des Personen- und sachbezogenenen Datenschutzes durchgeführt mit dem Ziel,

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die Interessen der DDR, ihrer Verbündeten, anderer Staaten aber auch die von Einzelpersonen zu schützen. Die entsprechenden Schritte wurden protokolliert und damit verbundene Transporte durch das MdI begleitet. Die diesbezüglichen Auflagen des Regierungsbeauftragten wurden eingehalten. Es ist zu berücksichtigen, daß der überwiegende Dokumenten- und Verschlußsachenbestand bereits im Zusammenhang mit der geplanten Errichtung des Auslandsnachrichtendienstes an die Dokumentenverwaltung des Amtes für Nationale Sicherheit zurückgeführt wurde, bzw. die Duplikate vernichtet wurden, die sich in der ehemaligen HVA befanden. Vorvernichtetes Material wurde unter Kontrolle des Komitees zur Auflösung des Amtes für Nationale Sicherheit dem Altstoffhandel als Sekundärrohstoff zur Verfügung gestellt.
Ein Archivbestand von 45 laufende Meter Akten sowie Karteien wurde am 22. 6. 1990 eingelagert (s. gesonderte Übersicht als Anlage). Bei dem vorhandenen Material handelt es sich überwiegend um für die Sicherheit der DDR, ihrer Verbündeten aber auch anderer Staaten relevantes Material, u. a. Informationen über voll identifizierte, weltweit operierende Agenturen anderer Geheimdienste, deren Auftragsstrukturen und Arbeitsrichtungen, über hauptamtliche Geheimdienstmitarbeiter und Agenten.

In Anbetracht der Bedeutung des Materials ist eine gesondert gesicherte Archivierung erforderlich.
Diesem Material hinzuzufügen sind alle im Zusammenhang mit der Auflösung der HVA entstandenen Protokolle, Schriftwechsel, Finanzunterlagen, Übersichten, Karteien, Vernichtungs- und Archivierungsbestätigungen.

Die Kaderakten wurden in Abstimmung mit dem Komitee zur Auflösung des AfNS und dem Regierungsbeauftragten aufgelöst und daraus am 25. 4. 1990 die Kaderkartei der HVA (Mitarbeiter und OibE) in die Zentralkartei des ehemaligen Kaderorgans überführt.

Die wissenschaftliche Bibliothek der HVA und die Regimebibliothek wurden anderen Nutzern übergeben (Humboldt-Universität Berlin am       , Ministerium für Handel und Tourismus am       ). Material und Bücher der Auslandsresidenturen wurden an die DDR-Auslandsvertretungen übergeben.

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Die Entlassung der OibE der HVA aus den Dienstverhältnis des MfS erfolgte konspirativ. Der Personendatenschutz wurde dabei strikt beachtet.

Der Auflösungsprozeß richtete sich in seinem Wesen auf die Einstellung von 540 aktiven (per Ende März 1990) Vorgängen im Operationsgebiet, einschließlich der dazugehörigen Verbindungspositionen. Insbesondere handelte es sich dabei neben den Quellen um Kuriere, Instrukteure, Residenten, Gehilfen und technische Kräfte, die zur Gewährleistung der Vorgangssicherheit erforderlich waren. Es gelang, die Gesamtzahl der Vorgänge auf 120 (Anfang bis Mitte Mai 1990) und auf 13 (25. Juni 1990) zu reduzieren. Als hemmend wirkte sich die Nichtbereitstellung von finanziellen Mitteln (in Mark der DDR) für die Realisierung der Vorgangsauflösung aus, die jedoch - bis auf Haftvorgänge - bis Ende Juni abgeschlossen sein wird.

Durch den fortgeschrittenen Stand der Auflösung durch Mehrschichtarbeit in den Monaten April/Mai betrug die Anzahl der arbeitstäglich im Objekt Roedernstraße anwesenden Mitarbeiter ca. 60 Personen. Hauptaufgabe war die weisungsgemäße Auflösung der HVA. Der Personalbestand war mit der Auflösung existierender Vorgänge, der Auflösung von Objekten, der Bereitstellung von Dokumenten zur Archivierung und der Inventarisierung der Dokumente, Geräte und Materialien befaßt. Diese Tätigkeiten erfolgten zeitweilig im Dreischichtsystem und in Außenobjekten (Segelfliegerdamm, Wuhlheide).

Die personelle und materielle Auflösung der Hauptverwaltung Aufklärung wird zum 30. Juni 1990 abgeschlossen.

Den gewerkschaftlichen Vertretern wurde die Teilnahme an allen Entscheidungen der operativen Leitung der Auflösungsmaßnahmen ermöglicht. Die Tätigkeit von Parteien und gesellschaftlichen Organisationen (außer Gewerkschaft), denen Mitarbeiter angehören, wurde nicht gestattet.
Den Mitarbeitern wurde die Orientierung gegeben, sich bis zur Beendigung ihres Arbeitsrechtsverhältnisses am 30. 6. 1990 auf Arbeitssuche zu begeben. Für konkret vereinbarte Kadergespräche wurden zeitlich befristete Freistellungen gewährt.

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Vorliegender Übergabebestand zu den Dienstobjekten der Hauptverwaltung Aufklärung ergibt sich:

- Haus 15 im zentralen Dienstgebäude, Ruschestraße, Berlin, 1130 Übergabe an Deutsche Reichsbahn
am 30. 5. 1990
- Dienstgebäude Komplex Roedernstraße 30/Oberseestr. 60
Berlin-Hohenschönhausen, 1092
(Teile des technischen Komplexes)
Übergabe an das MdI
am 1. 4. 1990
- Dienstgebäude im Komplex Haus 30, Freienwalder Str. 17 - 19
Berlin-Hohenschönhausen, 1092
(Rechenzentrum)
Übergabe an Kombinat Robotron
am 6. 3. 1990
- Dienstgebäude II
Lindenallee 51, Dahlwitz-Hoppegarten 1271
(Bürogebäude)
Übergabe an Rat der Gemeinde
am 6. 3. 1990
- Dienstobjekt Eichwalder Straße 100, Gosen, 1251
(Schule)
Übergabe an die HUB
am 15. 3. 1990
- Dienstobjekt Wernsdorf, 1251
(NVA-Dienststelle, PSF 45851, Erkner-Süd, 1250)
(Funkobjekt)
Übergabe offen

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- Dienstobjekt August-Bebel-Straße 1601 Zeesen PSF 46273, Königswusterhausen, 1600 Übergabe an die Deutsche Post
am 1. 4. 1990
- Dienstobjekt Roedernstraße 30, Berlin-Hohenschönhausen, 1092 vollständige Übergabe an MdI
am 30. 6. 1990

Zu allen übergebenen Objekten liegen die Übergabeprotokolle vor. Die Bürgerkomitees wurden einbezogen.

Die in der Anlage bezeichneten konspirativen Objekte und Ferienwohnungen wurden entsprechend der Veranlassung des Komitees einer neuen Verwendung zugeführt.
Bei 17 Objekten liegt die Rechtsträgerschaft noch bei VEM.

Die Pkw und technischen Ausrüstungen wurden bzw. werden bis 30.6.1990 zurückgeführt und dem Komitee übergeben. Alle diesbezüglichen Maßnahmen geschahen ausschließlich auf Veranlassung des Komitees auf der Grundlage der Inventarverzeichnisse, der vereinbarten Übergabeprotokolle und vorhandenen Quittungen. Die Bürgerkomitees wurden einbezogen.

Der Auflösungsprozeß wurde beeinträchtigt durch Aktivitäten westlicher Geheimdienste auf dem Boden der DDR. Diese bezogen sich sowohl auf die mit der Auflösung befaßten ehemaligen Mitarbeiter der HV A als auch auf die bereits entlassenen.
CIA und BND* bemühten sich u. a. durch direktes Aufsuchen in der Wohnung, insbesondere unter Verwendung von Wissen wie der bisherigen Tätigkeit und der Dienststellung der Kontaktierten, telefonische und briefliche Anbahnungsversuche aus Westberlin, München und Hamburg, Mitarbeiter der HV A zu werben und zur Preisgabe von Wissen zu veranlassen.

(handschriftlich:)
* sowie Verfassungsschutz
  (im abgegeb. 2. Ex. mit Maschine nachgesetzt)

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Von der Hauptverwaltung Aufklärung - in Auflösung - werden gegenwärtig 79 ehemalige Kundschafter materiell, finanziell und in medizinischer Hinsicht betreut.
Alle ehemaligen Kundschafter haben eine langjährige aufopferungsvolle Arbeit im Ausland geleistet und teilweise größere Freiheitsstrafen unter komplizierten Bedingungen verbüßt.
Die sicherheitsbedingten Übersiedlungen bzw. Wohnsitznahmen in der DDR haben zum Verlust von Eigentum und Vermögen geführt, für das sich die Regierung der DDR im Rahmen der teilweise langfristigen sozialen Eingliederung zur Ersatzleistung und materiellen und finanziellen Sicherstellung auf Lebenszeit verpflichtete.
Mit der Auflösung der Aufklärung ist diese Sicherstellung nicht mehr gewährleistet. Darüber hinaus müssen bei einer staatlichen Vereinigung einige in der DDR wohnhafte ehemalige Kundschafter mit erneuter strafrechtlicher Verfolgung und zum Teil hohen Haftstrafen rechnen, sofern nicht vorher durch die Regierungen der DDR und der BRD rechtliche Vereinbarungen getroffen werden, die die Ermittlungs- bzw. Strafverfahren gegenstandslos machen.

Die einzuleitenden bzw. zu garantierenden Rechtsschutz-, Versorgungs- und Betreuungsleistungen müßten gewährleisten:

  • Aufhebung von laufenden Ermittlungs- bzw. Strafverfahren durch die Justizorgane der BRD;

  • Sicherung eines den bisherigen Leistungen und Bedürfnissen entsprechenden Wohnraumes durch Kauf, Sicherung des Mietrechtes auf Lebenszeit oder in einzelnen Fällen durch Zuweisung eines kleineren Wohnhauses;

  • Weiterführung bzw. adäquate Festlegungen zur Sicherung der bestehenden Gehaltsregelungen;

  • Fortsetzung der bestehenden Rentenregelungen;

  • Zurverfügungstellung geeigneter und der Qualifikation entsprechender Arbeitsplätze bei Bedarf.

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Zu beachten ist, daß nach der Beendigung der Tätigkeit der HV A - in Auflösung - gegenüber den in der BRD und anderen NATO-Staaten in Haft befindlichen ehemaligen Kundschaftern der DDR und auch gegenüber den Familienangehörigen für die DDR weitere Verpflichtungen bestehen.

Gemäß Beschluß ist die Auflösung der Hauptverwaltung Aufklärung bis zum 30. Juni 1990 zu realisieren. Dementsprechend wurden durch das Komitee zur Auflösung des Amtes für Nationale Sicherheit mit dem Restbestand der Mitarbeiter der HV A befristete Arbeitsverträge bis zum 30. Juni 1990 abgeschlossen.

Aus gegenwärtiger Sicht ergeben sich weitere Arbeitserfordernisse, die eine sachkundige Weiterführung durch bisherige Angehörige der Hauptverwaltung Aufklärung über diesen Zeitpunkt hinaus erforderlich machen. Dabei handelt es sich insbesondere um

  • Aufgaben der Betreuung ehemaliger Kundschafter, die sich auf dem Boden der DDR befinden {s. o.),

  • Aufgaben und Verantwortung gegenüber in mehreren NATO-Staaten, insbesondere in der BRD, in Haft befindlichen ehemaligen Kundschaftern,

  • Aufgaben und Verantwortung gegenüber ehemaligen Offizieren im besonderen Einsatz, die sich in offiziellen Funktionen in Auslandsvertretungen der DDR, z. T. bis zur Beendigung der Tätigkeit dieser Vertretungen im Zusammenhang mit der Herstellung der staatlichen deutschen Einheit, befinden (62 ehemalige OibE in 28 Staaten). Sie sind überwiegend, wie auch ihre Angehörigen, von Arbeitslosigkeit und anderen sozialen Problemen bedroht.

Es geht insgesamt um soziale, rechtliche sowie speziell auch finanzielle und weitere Aufgaben.

Darüber hinaus zeichnet sich ab, daß für politisch zweckmäßige und sachkundige Nutzung von verbleibendem Schriftgut der Hauptverwaltung Aufklärung zumindest fachgerechte Beratung und Bewertung zu gewährleisten sein wird. Hinzu kommt, daß die Übergabe von ehemals operativ genutzten Wohnobjekten und Gästehäusern aus gegenwärtiger Sicht nicht bis zum 30. 6. 1990 abzuschließen ist.

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Die Auflösung der HV A erfolgte für alle Beteiligten unter komplizierten Bedingungen. Nicht nur, daß die Materie an sich genügend Probleme bereitete, kam hinzu, daß sich bestimmte Prozesse in einem Rahmen vollzogen, in der die Gesetzlichkeit den politischen Veränderungen von äußerster Dynamik Rechnung tragen mußte.

Die Auflösung der Hauptverwaltung Aufklärung war dadurch bestimmt, daß ihre Mitarbeiter keinerlei Befugnisse nach außen hatten und keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Verfügung standen. Diesbezügliche Erfordernisse werden als Anlage ausgewiesen.


    Fischer
    amtierender Leiter


Die mehrfach erwähnte(n) Anlage(n) zu diesem "Abschlussbericht" wurden nie aufgefunden und wahrscheinlich auch nie übergeben.






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