Ernst Thälmann

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Thälmann ohne Tadel

Fabriken und Schulen wurden mit seinem Namen benannt. Man hielt Junge Pioniere dazu an, Gedichte auf ihn zu rezitieren. Fred Oelßner schrieb einen Artikel über Thälmann, in dem er ihn fast zum Heiligen erklärte. Der Artikel hatte die Form eines fiktiven Briefs aus dem Bautzener Zuchthaus, der kurz vor Thälmanns Ermordung geschrieben war. Doch wie beim sowjetischen Personenkult durfte es auch an deutschen kommunistischen Helden keinerlei Makel geben. Ulbricht persönlich strich mit dem Rotstift die Passagen in Oelßners Artikel, in denen angedeutet wurde, dass Thälmann in seinen Überzeugungen vielleicht wankend geworden sei oder dass einige seiner Feinde, nämlich die Zuchthauswärter, einige Gefangene, darunter auch Thälmann, mit Respekt behandelt haben könnten. Ulbricht strich auch die Passagen, die durchblicken ließen, Thälmann habe Selbstmordgedanken gehabt. Am Ende blieb Thälmann also ein Kommunist ohne jede Schwäche, ohne jeden Fehl und Tadel

Thälmann ist zu exekutieren! Hickhack der deutschen Klassenjustiz

  Der Kommunist Ernst Thälmann ist heutzutage noch wie einst der prominenteste politische Häftling, der seine Haft im berüchtigten "Gelben Elend" zu Bautzen verbrachte. Am 3. März 1933,wenige Tage nach dem Reichstagsbrand, wurde der ehemalige kommunistische Reichstagsabgeordnete Thälmann in Berlin verhaftet, verbrachte zwei Jahre in Untersuchungshaft, dann aufgrund eines Schutzhaftbefehls des Reichspräsidenten mehrere Jahre im Berliner Gefängnis Moabit und in der Strafanstalt Hannover. Am 11. August 1943 wurde er von der Gestapo in das Zuchthaus Bautzen gebracht. Die doppelte Zelle im dritten Stock des Ostgebäudes, in die der 
Häftling eingewiesen wurde, war geräumig genug. An der einen Wand stand ein Bett, an der anderen ein Tisch und ein Schemel und das übliche Wandbrett für Essgeschirr und andere Utensilien. Über dem Tisch stand ein Rundfunkgerät, ein sogenannter Volksempfänger. Thälmann hatte Einzelhaft und Erlaubnis für früh sowie nachmittags je eine Stunde Spaziergang. Im Februar 1944 besuchte ihn wie jedes Jahr einmal seine Ehefrau Rosa. Angeblich verblieb Thälmann bis zum 16.August im Zuchthaus Bautzen. An diesem Tag musste er die Zelle verlassen und in eine dunkle Limousine steigen, in der zwei Gestapoleute saßen. Der Chauffeur fuhr, eskortiert von zwei weiteren Autos, auf der Autobahn nach Weimar. Am folgenden Tag, am 17. August, kurz vorMitternacht, kam die Limousine im Lager Buchenwald vor dem Krematorium an. Thälmann stieg rasch aus und wurde im Krematorium befehlsgemäß exekutiert. So jedenfalls lauteten die Berichte über den angeblichen Meuchelmord der Gestapo. Auf der Autobahn fährt man die Strecke von Bautzen nach Weimar kaum mehr als fünf, sechs Stunden.: Wollte die Gestapo die Galgenfrist verlängern? Man hätte den Deliquenten auch in der Kiesgrube nahe der Autobahn bei Bautzen ohne weitere Umstände exekutieren können. Wahrscheinlich hatten die Gestapobeamte die Exekutionsvorschriften ihres Reichsführers Himmler zu befolgen, die ausdrücklich das Beisein des Lagerführers und die Verlesung des Urteils forderten. Ernst Thälmann wurde also von einem Angehörigen der Lagerkommandantur hinterrücks und ohne Urteil im Krematorium des Konzentrationslagers Buchenwald erschossen. Die Leiche wurde noch in der selben Nacht verbrannt. Die Exekution in dieser Nacht wäre geheim geblieben, wenn nicht der polnische Leichenträger Marian Zgoda hinter einem Schlackehaufen im Hof des Krematoriums gehockt und die Genickschussaktion beobachtet hätte.

 Wurde Thälmann am 18. August 1944 kurz nach Mitternacht tatsächlich im Krematorium des Konzentrationslagers Buchenwald befehlsgemäß exekutiert? Sechs Tage danach, am 24. August,wurden die Kasernen und die anliegenden Rüstungsbetriebe des Konzentrationslagers Buchenwald von britischen Jagdbombern bombardiert. Zwei Tage danach meldete der Standortarzt des Lagers Buchenwald dem Chef des Staatssicherheitsamtes, dass bei einem Fliegerangriff am 24. August1944auf die Industriebetriebe und Truppenunterkünfte insgesamt 424 Personen getötet wurden. Am 15.September  
meldeten schließlich Zeitungen, dass bei feindlichen Terrorangriffen auf die Umgebung von Weimarauch das Konzentrationslager Buchenwald von zahlreichen Sprengbomben getroffen wurde. Unter den dabei ums Leben gekommenen Häftlingen befanden sich u.a. die ehemaligen Reichstagsabgeordneten Breitscheid und Thälmann.

  Der  ehemalige polnische Häftling Stanislaus Rosploch berichtete darüber im Jahre 1945:
"Am 24. August 1944, nach erfolgtem Bombardement, begab ich mich außerhalb des Lagers zu den Baracken, die ich mit Kohlen, Holz, Wäsche und dergleichen versorgen musste. Hierzu zählte auch die Baracke 15, die sogenannte Isolierbaracke, in der der ehemalige Reichstagsabgeordnete Rudolf Breitscheid, seine Frau Tonio und die Prinzessin Mafalda, Tochter des ehemaligen Königs Emanuel von Italien, eingesperrt waren. (...) Die Baracke war niedergebrannt, die schwelenden Flanken seitwärts zerfallen. Ich begab mich zu dem in etwa vier bis fünf Metern von der Baracke entfernt liegenden Splitterschutzgraben und stellte fest, dass dieser von einer etwa sechs Meter davon entfernt eingeschlagenen Bombe zur Hälfte verschüttet und die Insassen zugedeckt waren. Nur der Kopf der Mafalda, von der die Hilferufe kamen, war zum Teil frei. Von den auf der Straße gehenden Häftlingen holte ich acht Mann, und wir begannen mit der Bergung der Verschütteten. Nach der zur Hälfte erfolgten Befreiung der Mafalda, die der Lage nach als erste geborgen wurde, mussten wir auf ihr Bitten und Drängen hin von ihr Abstand nehmen und zur Bergung der Frau Breitscheid, deren Oberkörper auf den Füßen der ersten lag, übergehen. Frau Breitscheid war bewusstlos, aber sie lebte. Sie wurde freigelegt und zunächst an der Straße niedergebettet. Nach ihr wurde auch die Mafalda dorthin gebracht. Nun ging es an die Bergung Breitscheids, der als letzter im Graben, auf einer Fußbank hockend, völlig verschüttet war. Nur eine Hand ragte aus der Erde hervor. Über ihm lag die Erde am höchsten. Als ich ihn von der Erde befreit hatte, stellte ich fest, dass er bereits tot war. Auch ihn schafften wir zur Straße und legten ihn dort nieder."

  Im Report an das Staatssicherheitsamt in Oranienburg wurden fünf tote namentlich nicht genannte Internierte gemeldet, die bei dem feindlichen Luftangriff in den Baracken am Fichtenhain getötet worden waren. War Thälmann etwa ebenfalls dort umgekommen und bisher nicht aufgefunden 
und identifiziert worden? Der ehemalige österreichische Häftling Eugen Kogon berichtet in seinem Buch, Ernst Thälmann sei erst bei dem britischen Luftangriff am 24. August 1944 heimlich erschossen worden.Irmgard Thälmann, die Tochter, meint, sie habe erst nach ihrer Internierung in Ravensbrück von Genossen erfahren, dass ihr Vater zu der Zeit, als der amerikanische Bombenangriff auf Buchenwald stattfand, noch im Gefängnis in Bautzen war. Man habe ihn dann heimlich von Bautzen nach Buchenwald transportiertund dort ermordet. Professor Paul Rassinier, ehemaliger französischer Häftling, berichtet in seinem Erlebnisbuch,Ernst Thälmann und Rudolf Breitscheid im Lager begegnet zu sein. Genanntes Buch ist freilich in der Bundesrepublik schon seit langem aus den zugängigen Bücherbeständen verschwunden. Robert Zeidler,Buchenwaldhäftling von 1939-1945, bestätigte nach zuverlässigen Angaben, dass Thälmann ebenso wie RudolfBreitscheid am 24.8.1944 bei dem britischen Luftangriff auf den Kasernenkomplex in den Interniertenbaracken des Lagers Buchenwald ums Leben gekommen sei. Zeidler, halbjüdischer Abstammung, war von 1945 - 1948 abermals Häftling in Buchewald. Der Tscheche Vladislav Spisar sagte bei der Vernehmung ehemaligerBuchenwaldhäftlinge in Dachau laut Aufzeichnungen des Zeugen Mießlitz aus, dass sich Thälmann etwa seit Mai 1944 im Gefängnis Bautzen befand. Irmgard Thälmann, die Tochter, schrieb in ihren Erinnerungen an den Vater, er sei bereits am 11. August 1943 vom Gerichtsgefängnis Hannover in das Strafgefängnis Bautzen überführt worden. Man hat also Anlass, an der Richtigkeit gewisser Aussagen zu zweifeln.

 Der politische Häftling Heinz Mißlitz notierte in einer Aufzeichnungen zum amerikanischen Militärprozess in Dachau (War Crime Detachment) im Jahr 1947 die Zeugenaussage des polnischen Staatsangehörigen Marjan Zgoda, Bauarbeiter, ehemals Leichenträger im Krematorium Buchenwald, der 1947 bei seiner Vernehmung in Dachau erklärte:"Am 17. August 1944 kam nachmittags ein Telefongespräch aus der Telefonzentrale, dass die Öfen vorzubereiten sind. Das Gespräch wurde von Oberscharführer Warnstedt angenommen. 
Warnstedt sprach dann mit Unterscharführer Stoppe und gab die Meldung an die Häftlinge weiter. Bis 16.00 war noch nichts geschehen. Die Atmosphäre war kritisch und wurde immer noch gespannter, da auch bis 18.00 Uhr die Lage unverändert war. Kurz darauf kamen die Rapportführer Hofschulte und Stabsscharführer Otto, die kurz Rücksprache mit den beiden Kommandoführern nahmen.Gegen 20.00 Uhr wurden die Häftlinge in ihrer Unterkunft am Krematorium eingeschlossen. Der Kapo Jupp Müller gab die Anweisung, dass keiner dieWohnräume zu verlassen habe.Auch Müller und der Heizer Heinz Rohde hatten von den Kommandoführern entsprechende Anweisungen erhalten. Ich verließ durch den Luftschacht dennoch meine Unterkunft und gelangte auf den Hof des Krematoriums. Hinter einem Schlackenhaufen verbarg ich mich. Dort lag ich bis 24 Uhr und beobachtete, wie folgende Personen nach und nach in der angeführten Reihenfolge das Krematorium betraten:
   Scharführer Otto, Lagerführer Obersturmführer Gust, 
   Rapportführter Hofschulte, Oberscharführer Warnstedt, 
   Adjudant Schmidt, Hauptsturmführer Schidlausky, 
   Oberscharführer Berger, Unterscharführer Stoppe.

  Die SS-Leute hielten sich im Büro des Krematoriums auf, das sie öfter verließen, um nach einem offensichtlich erwarteten Transport Ausschau zu halten. Das Telefon klingelte mehrfach. Null Uhr zehn kamen die beiden Kommandoführer des Krematoriums heraus und öffneten das Torim Hofe,um einen großen Personenwagen einzulassen. Dem Wagen entstiegen drei 
Zivilisten, von denen zwei offensichtlich den dritten, der in der Mitte ging, bewachten. Den Gefangenen sah ich nur von hinten. Er war groß, breitschulterig und hatte eine Glatze. Ich konnte das bemerken, da er keinen Hut trug. Inzwischen waren auch die übrigen SS-Leute auf den Hof gekommen und flankierten die Eingangstür des Krematoriums. Die Zivilisten ließen ihren Gefangenen vorgehen. In dem Augenblick, als er das SS-Spalier passiert hatte und das Krematorium betrat, fielen drei Schüsse hinter ihm vom Hof her. Anschließend be- gaben sich alle SS-Leute und die beiden Zivilisten in das Krematorium und schlossen die Tür hinter sich. Etwa drei Minuten später fiel ein vierter Schuss im Krematorium. Offensichtlich war es der übliche Fangschuss. 20 bis 25 Minuten später verließen die Unterscharführer das Krematorium. Dabei sagte Hofschulte zu Hoffmann: "Weißt du, wer das war?" Otto antwortete: "Das war derKommunistenführer Thälmann." Kurz darauf verließen die beiden Zivilisten mit Schmidt,Schidlausky und Gust das Krematorium. Warnstedt und Stoppe schlossen hinter ihnen das Tor von innen.Ich begab mich auf demselben Wege, den ich gekommen war, wieder in die Unterkunft. Von dort hörte ich, ohne es sehen zu können, wie Koks in die Kübel gefüllt wurde. Normalerweise erledigten diese Arbeit Müller und Rohde. In diesem Falle kann ich nicht sagen, ob es die beiden Häftlinge oder die SS-Leute waren. Am anderen Morgen, dem 18. August 1944, beim Säubern der Öfen und beim Ziehen der Asche fand ich nur eine ausgeglühte Taschenuhr. Aus der Farbe der Asche war zu schließen, dass der Tote mit allen Kleidungsstücken verbrannt worden war. Im allgemeinen ist die Asche nahezu weiß, und nur, wenn die Kleider mit verbrannt werden, ist sie dunkel. Die Asche wurde gesondert aufbewahrt. Müller wird dazu besondere Anweisungen erhalten haben. Am Abend des 18. August berichtete ich Ernst Busse, dem Lagerältesten, über die Angelegenheit."

 Zgoda war nach seiner Haftentlassung aus dem amerikanischen Militärgerichtsgefängnis Dachau am 19.5. 1947  nach München gezogen und als Hilfsarbeiter tätig, 1956 wurde er wegen Widerstandes gegen  Vollstreckungsbeamte vom Amtsgericht München zu einer Geldstrafe und 
acht Tagen Haft verurteilt. Nach einem Befehl Himmlers vom 6. Januar 1943 für die Durchführung von Exekutionen waren Erhängungen durch einen Schutzhäftling zu vollstrecken, die für jeden Vollzug drei Zigaretten erhielten. Der Pole Zgoda hatte seine zweijährige Haft im amerikanischen Lager in Dachau offenbar nicht schuldlos verbüßt und gewiss daran interessiert, seine ehemaligen Vorgesetzten für ihre Verbrechen zu beschuldigen. Man mag ihm glaube, wenn man will. Die halbe Nacht lag Zgoda hinterm Schlackehaufen versteckt und hörte schließlich drei, vier Schüsse. Man hatte Thälmann umgelegtUnd Zgoda kennt die Anwesenden genau, den Thälmann mit den breiten Schultern und der Glatze bis zum Hinterkopf, er kennt den Namen und den Dienstrang der acht Männer bei der Exekution, er kennt sie ganz genau, den Kommandanten Piester hat er beim ersten Verhör nicht genannt, beim zweiten Mal fiel dieser ihm noch ein, Lagerkommandant Hermann Piester war vor seiner Hinrichtung im Gefängnis Landsberg 1948 schon verstorben.Der ehemalige kriminelle Häftling Müller vom Krematoriumkommando sagte bei der Vernehmung zu den Vorgängen jener Nacht aus, dass von dem am 18. August 1944 eingelieferten Mann lediglich am nächsten Tag ein Paar Herrenschuhe vor den Öfen standen. Diese Schuhe wurden dann auch gleich morgens von einem Unterführer abgeholt. Stabsscharführer Otto sei der Chef des Genickschusskommandos gewesen, sagte Müller.Der Zeuge Armin Walther erklärte bei der Vernehmung in Dachau eidesstattlich: "Am 18. Mai 1944 sah ich in der Rapportführerstube einen ausgefüllten Totenschein auf den Namen Ernst Thälmann. Als Todesursache war Feindeinwirkung angegeben. Bei derselben Gelegenheit hörte ich ein Gespräch der SS-Unterführer König und Tula, die darüber sprachen, dass Thälmann in Buchenwald exekutiert worden sei und man nicht wisse, an wen man die Asche schicken sollte, da sämtliche Angehörigen des Toten sich im Zuchthaus beziehungsweise im KZ befanden." (Buchenwaldarchiv 50221)

 Der Zeuge Werner Fricke, ein im Lager Buchenwald als Standesbeamter tätiger Charge der SS, bestätigte bei einem Gespräch dem polnischen Zeugen Marian Zgoda im amerikanischen Militärgefängnis Dachau angeblich die Vorfälle. Er habe sich bei einem Kohlehaufen im Hof des Krematoriums so lange versteckt und habe selbst alles beobachtet. Die tödlichen Schüsse habeOberscharführer Warnstedt abgegeben. Den polnische Häftling Zgoda kannte der Standesamtsbeauftragte Fricke von Begegnungen im Krematorium. Fricke gab bei einer Vernehmung am 1.8.1963
an,er habe erst einige Wochen nach dem Bombenangriff auf Buchenwald die Mitteilung vom Tode Thälmanns erhalten und die Beurkundung verweigert, da die Personalangaben Thälmann unvollständig waren, sogar der Vorname habe gefehlt. Zgoda habe ihm bei einem zufälligen Gespräch im Lager Dachau die Vorfälle geschildert, die er selbst im Krematorium heimlich beobachtet hatte. Zgoda nannte damals folgende Personen, die er angeblich gesehen habe: Otto,Schmidt, Barnewald und Warnstedt, also vier beteiligte Personen. Sturmbannführer Barnewald,der die Standortverwaltung Weimar leitete, war 1947 in Dachau zum Tode verurteilt, 1948 aber lebenslänglich verurteilt und schließlich 1954 begnadigt worden. Zgodas fabelhaftes Gedächtnis an die Vorfälle in jener Nacht ist also wohl doch zu bezweifeln.

   Aus den Aufzeichnungen des ehemaligen deutschen Häftlings Heinz Mißlitz für den Prozess in Dachau im Jahr 1947 erfährt man, dass Zgoda bei seiner Aussage acht schon genannte beteiligte Personen nach Rang und Namen hinter einem Schlackehaufen gesehen habe. Sturmbannführer Otto Barnemann wurde aber von ihm damals nicht genannt. 

  Die Suche nach dem tatsächlichen Mörder Thälmanns blieb erfolglos. Am 16.10.1948 veröffentlichte die Berliner Tageszeitung "Neues Deutschland" einen Artikel, aus dem man erfährt, man habe den Mörder Thälmanns entdeckt, den ehemaligen Sturmbannführer Kaiser, der jetzt 
Aloys Glaser heiße und in Offenburg lebe. Am 11.4. 1962 erteilte Rosa Thälmann, die Witwe Ernst Thälmanns, auf Grund von Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft der DDR dem Rechtsanwalt Dr. Kaul in Ostberlin die Strafprozessvollmacht in der Strafsache Otto wegen Mittäterschaft bei der Ermordung ihres Ehemannes. Der Antrag zum Strafprozess wurde jedoch am 17. August 1964 eingestellt, da die umfangreichen Ermittlungen keine hinreichenden Verdachtsgründe dafür ergeben haben, dass die Beschuldigten in strafrechtlich fassbarer Weise an der Ermordung Ernst Thälmanns beteiligt waren und fast alle verantwortlichen Männer der Kommandantur des KZ Buchenwald inzwischen verstorben sind, darunter auch die in der Anzeige genannten früheren SS-Angehörigen Hofschulte Schmidt und Schidlauski.

 Am 18. Oktober 1962 wurde auf Veranlassung des Generalstaatsanwalts der DDR der Zeuge Heinz Mißlitz aus Berlin durch das dortige Stadtgericht Mitte  vernommen. Mißlitz hatte 1945 an den Ermittlungsvernehmungen des amerikanischen Militärgerichts in Dachau teilgenommen und berief sich auf die damaligen Aussagen. Er äußerte sich im Vernehmungsprotokoll wie folgt: 
" Stabsscharführer Wolfgang Otto, geboren am 23. August 1911, ist mir von meiner Tätigkeit in der Stabsbaracke genau bekannt. Zu seinem Tätigkeitsbereich gehörten unmittelbar die Exekutionen, die meist durch Fernschreiber vom Reichssicherheitshauptamt oder den Gestapostellen angeordnet wurden. Otto nahm an sämtlichen Massenexekutionen teil, soweit er sich im Dienst befand, sowie auch an Massenexekutionen im Pferdestall. Otto war Leiter des Exekutionskommandos 99 (so genannt nach dem Telefonanschluß). Das Kommando wurde auch Genickschusskommando genannt."

  Am 1. August 1963 wurden im Verlaufe der Ermittlungen der des Mordes beschuldigte und als Lehrer tätige Wolfgang Otto und der Zeuge Fricke, der ehemalige Standesamtsbeauftragte, verhört. Fricke behauptete bei der Gegenüberstellung mit Otto, mit ihm im Lager Dachau über den Mord an Thälmann geredet zu haben, und Otto habe gesagt, dass man ihm nichts anhaben könne,weil Barnemann Thälmann erschossen habe. Otto erklärte wiederholt, dass er mit Fricke zu keiner Zeit über den Tod Thälmanns gesprochen habe. Der gleichfalls des Mordes beschuldigte Oberscharführer Berger war ebenso wie ebenso wie Oberscharführer Warnstedt verstorben, so dass weitere Ermittlungen nicht durchgeführt wurden.Am 8.Mai 1964 wurde gegen den Einstellungsbescheid beim Oberlandesgericht Köln Beschwerde eingelegt.Daraufhin ließ dieses am 28. Mai 1964 mitteilen, dass die Ermittlungen in der Mordsache Thälmann erneut aufgenommen werden. Am 9.August 1967 besichtigten Staatsanwälte der Kölner Zentralstelle das Krematorium des Lagers Buchenwald vor Ort. 

  Am 10. April 1972 wurde von der Zentralstelle mitgeteilt, dass das Verfahren erneut eingestellt worden sei.Abermals legte die Generalstaatsanwaltschaft in Ost-Berlin gegen diese Einstellung 
Beschwerde ein. Das Ermittlungsverfahren der Kölner Zentralstelle wurde erneut aufgenommen und am 14. November 1974 -nun zum drittenmal- wegen mangelnden Beweises eingestellt. Zum vierten Male legte Ostberlin Beschwerde ein, die am 30.11. 1976 abgelehnt wurde,da weitere Beweismittel, durch welche noch lebende Mittäter oder Teilnehmer an der Ermordung Thälmanns ermittelt werden könnten, nicht vorhanden sind. Die fünfte Beschwerde folgte umgehend. Die Ablehnung derselben erfolgte am 19. März 1979, da die Ermittlungen ergebnislos verlaufen waren. Auch gegen diesen Bescheid wurde Beschwerde eingelegt, die noch in demselben Jahr zurückgewiesen wurde.

  Am 12. Februar 1980 veranstaltete die Vereinigung der Juristen der DDR, das Komitee der Antifaschistischen Widerstandskämpfer der DDR und die Humboldt-Universität eine öffentliche Anhörung betreffs der dargelegten Ermittlungsergebnisse bei der Strafverfolgung im Fall Thälmann. Dr. Toeplitz, der Präsident des Obersten Gerichts der DDR, erklärte dabei folgendes: "Das Ergebnis unserer Anhörung bestätigt die Tatsachen: Die Mörder Ernst Thälmanns sind bis heute -Moral und Recht widersprechend- in der Bundesrepublik Deutschland unbehelligt geblieben. Sie haben bisher den Schein ehrbarer Bürger genießen können, obwohl eindeutige Beweise für das Verbrechen vorliegen. (...)Alle Tatsachen zwingen zu dem Schluss, dass die 
Strafverfolgung zunächst durch die Behörden der USA und dann durch die der BRD bewusst verhindert worden ist."

  Am 18. April 1980 folgte die sechste Beschwerde in Sachen Thälmann, die schließlich am 15. Mai 1986 beim Landgericht Krefeld zu einem Strafprozess führte. Der Schuldspruch der 2. Strafkammer des Gerichts wurde auf Grund einer Revision am 29. August 1988 bei der 17. Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf nach sechsmonatiger Verhandlung aufgehoben und der verurteilte Wolfgang Otto freigesprochen. Das Gericht folgte dem Antrag der Staatsanwaltschaft und nahm die angebotene Hilfe des Strafsenats des Bundesgerichtshofes an,der mit seinem Revisionsurteil vom 25. März 1987 den Schuldspruch des Landgerichts Krefeld aufgehoben hatte.

 Dr. Heinrich Hannover, einer der beiden Rechtsanwälte der Nebenklägerin Irma Gabel-Thälmann,würdigte im Düsseldorfer Prozess im besonderen die Aussagen der Zeugen Fuchs (Fuks) und Zgoda als richtig und glaubwürdig. Der Pole Zbigniew Fuchs war zum Prozess am 24. und 25. März 1988 vernommen worden. Fuchs gab  bei der Zeugenvernehmung des Landgerichts Krefeld an, die Vorfälle während jener Nacht im Krematorium gleichfalls persönlich gehört und gesehen zu haben. Am anderen Morgen fand er dann in der Asche eines mit Kleidung verbrannten Menschen die Überreste einer Taschenuhr, die ihm der Kapo Müller sofort wegnahm. Müller sagte ihm auch, dass man in der Nacht den Kommunisten Thälmann erschossen und verbrannt habe. Die tödlichen Schüsse soll Oberscharführer Warnstedt selbst abgegeben haben.

  Beim Verhör der amerikanischen Ermittler im Militärgefängnis Dachau hatte  Fuchs ausgesagt,dass Häftlinge, und  Frauen  im Krematorium aufgehängt wurden. Es waren 48 Haken vorhanden.Fuks und Zgoda hatten als Mittäter bei solchem Massenmord also die eigene Haut zu retten, da es 
kaum glaubhaft ist, dass die Angehörigen des Genickschusskommando auch die Henker im Kellerwaren. Solche Überlegungen freilich interessierten den Rechtsanwalt nicht.Auch Fuks musste wieZgoda den Häftlingsleichen Goldzähne aus den Kiefern brechen, die Kapo Müller abzuliefern hatte

  Bei den Ermittlungen über die angebliche Mordtat an Ernst Thälmann lag der Kölner Staatsanwaltschaft als Beweismittel eine fotokopierte Aufzeichnung des Reichsführers Himmler über eine Besprechung mit 
Hitler am 14. August 1944 im Führerhauptquartier,auf der vermerkt war, dass Thälmann zu exekutieren sei. Dieses Dokument war der Staatsanwaltschaft von der Generalstaatsanwaltschaft der DDR mit Schreiben vom 17.12.1964 zugegangen. Der Kölner Staatsanwaltschaft wurde mitgeteilt, dass sich laut einer vertraulichen Mitteilung das Original der Aufzeichnung im Bundesarchiv in Koblenz befände. Den Zettel hätten britische Armeeangehörige im Handgepäck des gefangengenommenen Himmlers gefunden, der bei seiner Gefangennahme Selbstmord beging. Die Briten hätten diese Notiz dann amerikanischen Ermittlern übergeben, die 1950 eine Kopie mit anderen Dokumenten betreffs der Verfolgung von Naziverbrechen der Bundesregierung zur Verfügung stellten. Laut Protokoll des Generalstaatsanwalts der DDR an den Leiter der Zentralstelle im Lande Nordrhein-Westfalen bei dem leitenden Oberstaatsanwalt in Köln vom 17.12. 1964 wurden zwecks Einsichtsnahme und Auswertung des angeblichen Mordfalles u.a. ein Schreiben des Oberstaatsanwalts bei dem Landgericht Weimar an den Vorstand des Gerichtsgefängnisses in Bautzen vom 21.12.1948 (-AZ: 6 Ja 1146/48-) sowie ein Schreiben des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Bautzen vom 30.12.1948 übergeben. Diese beiden adressierten Schreiben des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Bautzen (K 5).könnten heute wesentlich dazu beitragen, im damaligen Justizskandal zu ermitteln, wobei man freilich davon auszugehen hat, dass die Angaben des Kommissariats 5 der Bautzener Untersuchungshaftanstalt wahrheitswidrig sind. Eine strafrechtliche Verfolgung des ehemaligen Vorstandes des genannten Kommissariats wegen Gesetzesverletzung bei der willkürlichen Enteignung von Grundbesitz und Industriebetrieben sowie der Beraubung von Kulturgütern steht bis heutzutage ohnehin noch aus. Zu bemerken ist hierzu, dass der ehemalige Lagerälteste des KZ Buchenwald, Erich Reschke, im Jahr 1948 Chef der Landespolizei Sachsen war.

  Mit Bedauern müssen heute ehemals politisch Verfolgte und ehemalige Häftlinge der sowjetischen Sonderlager feststellen, daß eine Aufklärung der damaligen besatzungshoheitlichen Verbrechen durch staatliche Organe hintertrieben wird. Die Mordtat des ehemaligen Lagerkommandanten Erich Reschke vom 1. April 1950 im Corpus IV der Landesstrafanstalt bleibt bis heutzutage wegen mangelnden Beweises ungesühnt,die angeblicheAufopferung Thälmanns wird indessen von der sächsischen Gedenkstättenstiftung  als gedenkwürdiges Geschehnis beweihräuchert.Die ehemalige Haftzelle Thälmanns in der Landesstrafanstalt Bautzen ist heute noch für museale Zwecke reserviert; man weiß  nicht,ob im Freistaat Sachsen die nächste politische Wende kommt. Dank der Initiativen der Bautzener Bürgerbewegung wurde die Gedenktafel vor der Strafanstalt entfernt, das steingehauene Porträtbildnis Thälmanns blieb an gleicher Stelle erhalten. Etwa siebzehn der getreuen Funktionäre (Antifa) versammelten sich zum angeblichen Todestag Thälmanns vor der nicht mehr vorhandenen Gedenktafel an der Mauer, um des proletarischen Patrioten zu gedenken, dessen doppelte Zelle im Ostflügel des Gebäudes auch heute noch leer und verschlossen bleibt.

  Der angebliche Meuchelmord an Ernst Thälmann am 18. August 1944 ist zu bezweifeln und,wie sich zeigte, gerichtlich nicht beweisbar und verfolgbar. Die heutige antifaschistische Widerstandsbewegung und deren Parteigänger verbreiten die Version des Mordes so, wie es bisher 
hierzulande bekannt war. Berufene Historiker verbreiten die Zeitgeschichte nach ihrem antifaschistischen universitären Wissen und berufen sich auf Wissenschaftsfreiheit. Historiker Haase, Geschäftsführer der Sächsischen Gedenkstättenstiftung, rechtfertigt die antifaschistische Version und disqualifiziert sich mit seiner Aussage selbst ebenso wie die Richter in Krefeld. Die Versuche von antifaschistischen Institutionen und Stiftungen,im besonderen staatlich und privat geförderten Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung (e.V.) der Technischen Universität Dresden, anderen Menschen und Institutionen das Mitspracherecht in der historischen Forschung und Vermittlung zu nehmen, dienen der Monopolisierung des Geschichtswissens und sind für die Wissenschaft schädlich. Mit Hilfe der Sächsischen Gedenkstättenstiftung soll im Einvernehmen der Sächsischen Landesregierung und ihrer parlamentarischen Gremien eine geschichtsbildende Kompetenz möglichst unter Ausschluss der Öffentlichkeit formiert werden, die die geschichtliche Wahrheit nach ihrem Gutdünken ausrichtet.Der Öffentlichkeit wird zwar gestattet, zuzuhören, nicht aber mitzureden. Ohne Mitwirkung von Zeitzeugen obliegt derart die Zeitgeschichtsforschungder Unwahrheit. Der Vorstand des als geschichtsbildenden Fördervereins anerkannten "Bautzen-Komitee" missbilligt eine derartige Monopolisierung der Geschichtswissenschaft seitens universitärer Institutionen und verlangt ausdrücklich die Mitwirkung bei der Wahrung und Verbreitung zeitgeschichtlichen Wissens.Die von dem Geschäftsführer der Sächsischen Gedenkstättenstiftung beim letzten Bautzen-Forum der Friedrich Ebert-Stiftung geäußerte Version des angeblichen Mordes an Thälmann ist als subjektive Behauptung, nicht aber als wissenschaftlich bestätigte Tatsache und als Propagierung antifaschistischer Geschichtsfälschung zurückzuweisen.

Artikel: Norman Naimark Die Russen in Deutschland, Propyläen 1997 S.546 119 Eine Antwort auf die Briefe eines Kerkergenossen in Bautzen Januar 1944, Manuskript SAPMO-BA, NL 215/102 Oelßner Irma Thälmann: Erinnerunhgen an meinen Vater, Kinderbuchverlag Berlin






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