Die klassische und beherrschende Form der privaten Geldanlage war das Sparbuch. Die meisten Sparbücher wurden von den mit zahlreichen Filialen in Dörfern und Städten vertretenen Sparkassen ? ausgestellt und waren üblicherweise mit einem roten Umschlag versehen. Außerdem gab es die blauen Postsparbücher, grüne Sparbücher der BHG und Sparbücher der Bank für Handwerk und Gewerbe (später Genossenschaftskasse für Handwerk und Gewerbe). Sparbücher ermöglichten es je nach "Sichtvermerk" dem Besitzer oder dem das Sparbuch am Schalter Vorlegenden, ohne große Umstände und jederzeit kleinere und mittlere Summen einzuzahlen oder über sie zu verfügen.
Eine weitere Sparform waren so genannte Spargirokonten. Mit ihnen wurde auch der bargeldlose Zahlungsverkehr (auch DDR-Betriebe gingen mehr und mehr zu Gehaltsüberweisungen über; Mieten, Stipendien, Kreditraten und dergleichen gingen über Girokonten)abgewickelt und die Möglichkeit, über Giroschecks zu verfügen eingeräumt. Der Zinssatz entsprach dem der Sparbücher. Er war über Jahre auf konstant 3,25% festgesetzt. Einst war er für täglich verfügbare Konten 3 % und für Konten mit längeren Kündigungsfristen 3,5 bis 4 %. Mit der Abschaffung dieser Fristen galt der einheitliche Zinssatz für alle Sparkonten.
Mit fortschreitender Berufslaufbahn oder mit Willen zum Sparen erreichten DDR-Sparkonten früher oder später einen Zustand, den man gewissermaßen als finanzielles Niemandsland bezeichnen könnte. Gemeint ist der Bereich, in dem den Geldmitteln keine Kaufmöglichkeiten, keine so genannten "Warenfonds" mehr gegenüber standen, aber wiederum nicht derart riesige Summen vorhanden waren, dass der Preis einer Ware bzw. eines Konsumgutes ? keine Rolle mehr gespielt hätte. Besonders in den 80er Jahren war dieser im Rückblick so charakteristische Zustand schnell zu erreichen.
Dabei gab es genügend Versuche der Staatlichen Plankommission ? und des zentral gesteuerten Einzelhandels, mit Hilfe von "Mondpreisen" für bestimmte "Luxusgüter" - wie z.B. Fernsehapparate - diesem Kaufkraftüberhang ? die volkswirtschaftliche und politische Sprengkraft zu nehmen. Doch wehrte sich vielfach der gesunde Menschenverstand des DDR-Bürgers, angesichts einer Monatsmiete von 50 Mark und der Schrippe (Brötchen) für 5 Pfennige horrende 6000 bis 7000 Mark für einen Farbfernseher aus einheimischer Produktion auszugeben (im Beispiel entspräche das etwa der Wohnungsmiete für 10 bis 12 Jahre). Somit blieb ein ständig wachsender Teil der Sparguthaben für die Anleger totes Kapital.
Diese Guthaben waren dennoch, entfernt vergleichbar den Sparguthaben bei Privatbanken in westlichen Staaten, in die Kapitalflüsse innerhalb der Volkswirtschaft eingebunden. Aus den Sparguthaben wurde der überwiegende Teil der Inlandskreditaufnahme des Staates bestritten, woraus für die gegen Ende der 80er Jahre endgültig auf die Zahlungsunfähigkeit zusteuernde DDR eine enorme Inlandsverschuldung erwuchs.
Die kritischen Zusammenhänge zwischen den Sparguthaben und anderen finanziellen Eckdaten der Volkswirtschaft beleuchtet das "Schürer-Papier" (Analyse der ökonomischen Lage der DDR mit Schlußfolgerungen) mit Stand von Mitte/Ende 1989. Einige Daten sollen hier nochmals explizit angeführt werden.
(*) inkl. Versicherungssparen
(**) nur der 1986/89 aufgelaufene Betrag, d.h. für den Jahresbeginn 1986 mit Null angenommen
Zum Vergleich: Das Nationaleinkommen betrug zu diesem Zeitpunkt ungefähr 250 Milliarden Mark.
|