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Versuch eines geschichtlichen Abrisses (vielen Dank an B.H.!), muß noch stark gekürzt werden:
* Anlaß für Bau der Filmfabrik Wolfen: Ersatz der zerbrechlichen Glasplatte durch die biegsame Zelluloid-Unterlage und die Konkurrenzsituation auf dem Weltmarkt
* die Errichtung einer neuen Filmfabrik war 1908 in Greppin geplant
* der Bau wurde auf 1909 verschoben, der Standort sollte dann Wolfen sein
* günstige Voraussetzungen: gute Verkehrsverhältnisse, Mulde-Wasserversorgung, vorteilhafter Energiepreis, billiges Bauland, niedrige Löhne
* Probleme damals: Kenntnisse über Emulsionsprozeß fehlte, geeignete Gelatine fehlte, Abhängigkeit der Emulsion von der Qualität des Wassers dadurch Fäulnisprozesse im Hochsommer
* Bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges setzte die deutsche Kineindustrie Kodak-Produkte ein, Agfa verkaufte hauptsächlich ins Ausland
* Mit Beginn des 1. Weltkrieges Drosselung der Filmproduktion
* Ab 1916 Erstarken des Kriegsgeschäftes insbesondere Fliegerfilm und Klarscheiben für Gasmasken, Propagandazwecke, Atemeinsätze für Gasmasken
* Auf Veranlassung der Chemischen Abteilung des Kriegsministeriums ab 1917 Einrichtung einer Abfüllstelle für Gaskampfstoff Clark (täglich 15.000 Flaschen)
* Arbeitszeit damals 10 Stunden, Lohn männlich 30-42 Pf/h, Handwerker 36-57 Pf/h, Urlaub nach 5 Jahren 4 Tage, nach 10 Jahren 6 Tage
* Am Ende des Krieges 1918 hatte die Agfa-Filmfabrik Wolfen 50 Gefallene
* Bis in die zwanziger Jahre konnte kein mit dem Kodakfilm konkurrenzfähiges Kine-Negativ-Material geschaffen werden
* Im Jahre 1920 wurde in der Filmfabrik ein wissenschaftliches Laboratorium mit eigenen Forschungsaufgaben errichtet
* 1923 erfolgte fabrikmäßige Umstellung der Filmherstellung vom Trocknen im Luftstrom zur Trocknung mit wenig Luft im Umluftverfahren bei gleichzeitiger Lösungsmittelrückgewinnung
* ab 1921 Produktion von Röntgenfilm anstatt der bisher verwendeten Glasplatten für die Röntgenfotografie, verwendet wurde dafür ein beidseitiger Beguß des Filmes zur Steigerung der Empfindlichkeit
* ab Mitte der 20er Jahre Produktion für die Amateur-Kinematographie auf Basis 16 mm Film
* 1927 Aufbau einer Anlage für die Kunstfaserherstellung
* 1929 wurde die technisch-wissenschaftliche Abteilung geschaffen mit Schwerpunkt der Neubearbeitung (neue Fabrikationsprodukte)
* bis Mitte der 30er Jahre Entwicklung von Spitzenerzeugnissen wie panchromatischer Amateurfilm, panchromatischer Rollfilm, neue Produkte für Infrarotfotografie, Verbesserung der Lichthofschutzfarbstoffe, Steigerung der Lichtempfindlichkeit, Erhöhung der Haltbarkeit von Filmen
* 1932 Verlegung der Fotoplattenfabrik von Berlin nach Wolfen
* 1931 Verlegung der Berliner Veredlungsbetriebe incl. Färberei sowie der Kunstseidenzentrale Berlin nach Wolfen
* Belegschaftsentwicklung: 1911: 256; 1916: 827; 1920:2125; 1925:4449; 1930:4360; 1935:6669; 1940:10610; 1944:11191
* 1934 Produktion von PCU-Borsten und Drähten (z.B. für Besen)
* 1936 neue Zellwollefabrik - deren Produktion 1944: 100 t
* 1937 strebte die Filmfabrik danach, den Titel "Nationalsozialistischer Musterbetrieb" zu erhalten
* 1935 wurde der Farbfilm Agfacolor entwickelt und 1936 auf den Markt gebracht
* seit 1935 W-Betrieb (Wehrmacht), Kunstseide und Zellwolleproduktion wurde zur Herstellung von Fallschirmen, Fahrzeugreifen, Schnüre, Kartuschbeutel, Militärtuche benutzt
* 1939 entstand auf Agfa-Material der erste kurze Spielfilm und 1941 der große farbige Spielfilm "Frauen sind doch die besseren Diplomaten"
* ab 1939 Aufbau neuer Viskose-Kordseidenanlagen deren Produktion 1944: 4886 t; damals größte Anlage in Deutschland
* 1938 Interesse des Militärs an der Farbfotografie (Reichsluftfahrministerium u.a.) für Luftbildwesen, Darstellungen für Unterrichtszwecke, dokumentarische Aufnahmen an den Fronten und im Führerhauptquartier, Werbemittel; das OK der Luftwaffe erklärte den Colorfilm für "besonders kriegswichtig"
* Produktionseinschränkungen im Kriege durch Rohstoffknappheit ; Engpässe waren: Faserholz, Fotogelatine, fetthaltige Textilhilfsmittel, Hilfsmaterial für Emballagen, Schwefelkohlenstoff, Natronlauge, Schwefelsäure
* Ausländereinsatz in der Filmfabrik (jeweils im Dezember): 1940:931; 1941:2020; 1942:3838: 1943:4186; 1944:4900; Höchster Stand Januar 1945 mit 5095
* Aus der Direktionskonferenz vom 7. April 1945: Zahl der Gefallenen der Filmfabrik: 419; Zahl der Vermissten: 203; Zahl der Gefangenen: 70
* Februar/März 1945: Auslagerung wichtiger Akten, Vorschriften, Zeichnungen.... nach Tambach, Sehma sowie Werke in Süddeutschland
* Kriegsschäden an Rohstofflägern, Kunstseidenfabrik, Versandbetrieb, Baubetrieb, Salzlager, Lagerschuppen, Schornstein
* In der Nacht vom 14./15. April 1945 erreichten US-Einheiten Wolfen
* Anfang Juli 1945 übernahmen Sowjettruppen die Filmfabrik
* Die Agfa-Geheimnisse hörten auf zu existieren
* Der Koslowsky-Effekt wurde allgemein bekannt (sprunghafte Empfindlichkeitssteigerung durch Goldsalzspuren)
* Bei Rückzug der Amerikaner (bis 30. Juni 1945) nahmen diese bedeutende Rohstoffe und Fachkräfte mit
* Besetzung der Filmfabik am 1. Juli 1945 durch russische Truppen
* Mit Befehl Nr. 9 vom 21. Juli 1945 ordnete Marschall Shukow Maßnahmen zur Wiederaufnahme der Produktion an
* Sehr große Beschaffungsprobleme an Rohstoffen
* III. Quartal 1945: Aufnahme Kunstseide- und Schwammproduktion; IV. Quartal 1945 Produktionsaufnahme S-Zellstoff, Hefe, PC-Fasern; I. Quartal 1946: N-Zellstoff
* Mit Befehl Nr. 124 der SMAD vom 30.10.1945 ging die Filmfabrik in SMAD-Eigentum über
* Mit Befehl Nr. 156 der SMAD vom 22.Juli 1946 wurde die Filmfabrik als Reparationslieferung an die UdSSR ausgewiesen
* Filmfabrik wurde zum Hauptbetrieb der sowjetischen staatlichen Aktiengesellschaft Foto-Kinefilmindustrie "Fotoplenka" als SAG-Betrieb
* Generaldirektor an diesem Zeitpunkt Oberstleutnant Mumschijeff
* In dieser Zeit sowjetische Demontagen vor allem in den Film- und Energiebetrieben, nicht im Faserbereich
* Unter den Demontagen waren: 12 Gießmaschinen, ? Höchstdruckkessel zur Dampferzeugung, 1 Turbine mit Generator, 16 Trafos, 6 Kompressoren, insgesamt wurden 60% der Filmproduktionsanlagen demontiert
* Arbeitnehmereanzahl am 1. Januar 1948: 8433
* Fabrikationsneuaufnahmen 1946-1949: Fotografische Papiere, Lichtpauspapier, Lederaustauschstoffe, Zellstoff, Zellwatte, Bindefäden, Dederonseide, Dederonborsten und ?drähte, Angelschnur, Damenbinden, Taschentücher, Viskosedärme
* Aufbau von Produktionsanlagen für Magnetfilme und Magnetbänder, Klebstoffen (Duosan), Kitte und Kleber für Filme, Perfol-Folien
* Übergabe der Filmfabrik aus sowjetischem Eigentum an die DDR: zum 1. Januar 1954
* Danach verstärkter Aufbau eines Gesundheitswesens im Werk, Neue Produktionslinien, Produktionssteigerungen
* 30. Juni 1966: weibliche Beschäftigte: 7494; männliche Beschäftigte: 6603
* seit 1. April 1964 Umbenennung in "Volkseigener Betrieb Filmfabrik Wolfen" unter dem Firmennamen ORWO; Grund waren Streitereien um die Markenrechte AGFA mit Agfa Leverkusen
* in der Folgezeit Modernisierung der Produktion, Aufbau neuer Produktionsstrecken, Werkserweiterungen
* U.a. standen 1989/1990 folgende Produktionskapazitäten im Filmbereich bzw. Energiebereich für den Filmbedarf bereit:
** Betrieb Emulsionsherstellung:
*** 6.000 t/a Fotoemulsion;
*** 300 t/a Kupplerdispergate
** Betrieb Zwischenprodukte: 600 t/a Zwischenprodukte und Farbkuppler
** Betrieb PETP-Wäscherei: 600 t/a PETP-Folie
** Betrieb CA-Filmwäscherei:
*** 2400 t/a AC-Folie;
*** 50 t Silber/a
** Betrieb Gießerei:
*** Gießerei III/IV: 17,4 Mio m²/a
*** Gießerei V: 13,4 Mio m²/a
** Betrieb Begießerei:
*** Begießerei VI: 16,7 Mio m² Begußfläche
*** Begießerei VI: 11,5 Mio m² Begußfläche
*** Begießerei VII: 16 Mio m² Begußfläche
** Betrieb Filmaufarbeitung
*** Geb. 0113: 11 Mio m²/a
*** Geb. 0171: 2,2 Mio m²/a
*** Geb. 0178: 1,9 Mio m²/a
*** Geb. 0198: 2 Mio m²/a
*** Geb. 192/93/94: 1 mio m²/a
*** Kleinbildaufarbeitung: 53 Mio Stück/a
*** Blechpatronenherstellung: 13,4 Mio Stück/a
*** Magnetband: 900 Mio Mm/a
*** Kistenfertigung: für 1,2 Mio Mark/a
Dafür wurden gewaltige Energiemengen benötigt:
* Ca. 282.000 t Dampf/a
* 378000 GJ Kälte und Lüftung
* 74750 MWh/a Elektroenergie
* 1800 Tm Wasser/a
Entsorgungsmengen im Bereich Filmherstellung 1989:
* Ca. 1000 m/d soziale Abwässer
* 1000 m/d belastete Abwässer
* 4500 t/a Emissionen
* 24.000 t Lösungsmittelabfälle/a
* 2600 t silberhaltiger Schlamm
Beginnend 1990 allmähliche Abwicklung der Filmfabrik, Rückbau nicht mehr benötigter Anlagen, Sanierung von Flächen, bis jetzt (2004) anhaltend
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