Vorbereitungskreis der Mahnwache in der Berliner Gethsemanekirche
Aufruf
Wir sind betroffen, über das gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen gewaltlos demonstrierende Menschen.
Wir haben Angst und wir sind wütend. Wir sind verbittert und wir mißtrauen der Staatsführung. Wir sind in Sorge, wie der sich
zuspitzende gesellschaftliche Konflikt zu lösen ist. Wir haben in den letzten Tagen erfahren, daß wir stark sind durch
Gewaltlosigkeit. Wir sind viele-wir können nicht mehr ignoriert und übergangen werden. Das ist ein großer Erfolg.
Wir fordern die unverzügliche Freilassung aller, die wegen ihrer Teilnahme an gewaltfreien Demonstrationen in Haft genommen
wurden, die Einstellung der Ermittlungsverfahren und die Aufhebung der Strafbefehle.
Jetzt ist die Zeit reif für konstruktive Aussprachen aller Gruppierungen und Kräfte am runden Tisch.
Wir wollen kein Mißtrauen und keine Gewalt. Wir wollen demokratische Mitbestimmung und Umgestaltung in unserer Gesellschaft
und für unsere Gesellschaft.
Für den Demokratisierungsprozess in unserem Land ist lebenswichtig:
- Legalisierung und ungehinderte Tätigkeit aller gesellschaftlichen Gruppierungen
- ihr freier Zugang zu den Medien
- Genehmigung gewaltfreier Demonstrationen
Wir grenzen uns ab von gesamtdeutschen und rechtsradikalen Bestrebungen.
Als Grundlage für einen Dialog mit den staatlichen Stellen, bitten wir Vertreter unabhängiger Gruppierungen, sich in den nächsten Tagen an
der Erarbeitung eines Forderungs- und Handlungskatalogs zu beteiligen.
Wir fordern uns alle auf, in unserer Verbitterung, Wut und Angst friedfertig zu sein, damit unser Anliegen überzeugend ist.
Berlin 09.10.1989
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