HVA-Oberleutnant Werner Stiller (31, studierter Physiker), Abt. XIII [[HVA-Sektor_Wissenschaft_und_Technik]] (SWT), Referat 1 physikalische Grundlagenforschung und Nukleartechnik, selbstangebotener Spion beim BND ab 05/1978, interne MfS-Ermittlungen ab 08/1978. Am 18.01.[[1979]] Flucht aufgrund schwerwiegender Sicherheitsmängel der HVA und Verzögerungen bei der Abwehr über den Bhf. [[Berlin-Friedrichstraße]] zum [[BND]]/ [[CIA]], machte insbesondere den Umfang der DDR-Wirtschaftsspionage deutlich, angeblich 20.000 Dokumente auf Mikrofilm mitgenommen.
| | Oberleutnant Werner Stiller (studierter Physiker), von [[1972]] bis [[1979]] tätig in der [[HVA-Abteilung XIII|Abt. A XIII]] des [[HVA-Sektor Wissenschaft und Technik|Sektors Wissenschaft und Technik]] (SWT) der [[Hauptverwaltung Aufklärung|HVA]], zuletzt Leiter des Referats 1 (physikalische Grundlagenforschung und Nukleartechnik), war selbstangebotener Spion des westdeutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) ab Mai [[1978]]. Interne Ermittlungen durch die Abwehr des [[MfS]] liefen seit August [[1978]].
Am 18. Januar [[1979]] flüchtete Stiller über den Bahnhof [[Berlin-Friedrichstraße]] nach [[Westberlin]] zum [[BND]]; er benutzte dazu blanko [[Hauptverwaltung Aufklärung|HVA]]-Papiere, mit denen er den U-Bahnsteig der westlichen Linie U6 erreichen konnte. Stiller nahm bei seiner Flucht angeblich 20.000 Dokumente auf Mikrofilm mit. Nach Aussage von [[Markus Wolf]] hatte Werner Stiller den Safe des Referatsleiters aufgebrochen, worin wesentliche Erkenntnisse und Unterlagen der Abteilung lagerten. Die Flucht wurde duch schwere Sicherheitsmängel der HV A begünstigt.
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Die Freundin Werner Stillers wurde über die Botschaft der [[BRD]] in Polen in die Bundesrepublik geschleust. Seine Ehefrau und kleine Tochter blieben hingegen in der [[DDR]] zurück und waren dort ständigen Schikanen ausgesetzt.
Schädigungen der Auslandsaufklärung durch 17 Festnahmen untergeordneter Spione in der [[BRD]] sowie weiterer rechtzeitige Absetzungen in die DDR. Stiller ordnete ein Foto der schwedischen Aufklärung vom 01.07.1978 in Stockholm dem legendären HVA-Chef [[Markus Wolf]] zu, die erste aktuelle Aufnahme seit 20 Jahren! Am 05.03.1979 veröffentlicht im Magazin „Der Spiegel" als Titelgeschichte über den BND lanciert .
| | Die Freundin Werner Stillers wurde über die Botschaft der [[BRD]] in Polen in die [[BRD]] geschleust. Seine Ehefrau und Tochter blieben hingegen in der DDR zurück und waren dort ständigen Schikanen ausgesetzt. Im [[MfS]] entstand bei den folgenden Untersuchungen der [[Operativer Vorgang|OV]] "Schakal"; dieser Name wurde dort später generell für Stiller verwendet.
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Neue Identität als "Klaus-Peter Fischer" durch die [[CIA]], BWL-Studium in St. Louis/ Missouri, danach Investmentbanker in den USA.
Ein ähnlicher Überläuferversuch in der HVA war wenig später Hauptmann [[Werner Teske]]. Er wurde jedoch rechtzeitig erkannt und in der Folge zum Tode verurteilt.
| | Die DDR-Auslandsaufklärung wurde durch das Überlaufen Stillers empfindlich geschädigt:
*15 DDR-Agenten, größtenteils zuvor von Stiller als Führungsoffizier ''geführt'', wurden in der [[BRD]] und Österreich noch am 19. Januar 1979 festgenommen. Zu Stillers offenbarten Quellen gehörten
**Reiner Fülle, Spion im Kernforschungszentrum Karlsruhe
**[[Inoffizielle Mitarbeiter des MfS|IM]] "Sturm", ein Computerkaufmann mit dem Nachnamen Arnold, der bei IBM Karriere gemacht hatte (erhielt 2,5 Jahre Haft für 19 Jahre Spionage)
**[[Inoffizielle Mitarbeiter des MfS|IM]] "Hauser" alias Günther Sänger, Ingenieur bei Siemens in Coburg
**Karl-Heinz Glocke, Personalsachbearbeiter bei RWE in Essen
**François Lachenal, PR-Berater bei Boehringer Ingelheim
**Alfred Bahr, tätig in der Abteilung Satellitenbau von MBB
**[[Inoffizielle Mitarbeiter des MfS|IM]] "Sperber" alias Rolf Dobbertin, Physiker am staatlichen Forschungsinstitut CNRS (Frankreich)
**[[Inoffizielle Mitarbeiter des MfS|IM]] "Fellow" alias Dr. Karl Hauffe, Institutsdirektor an der Uni Göttingen (zuvor für den [[KGB]] sowie für den [[BND]] (!) tätig, verurteilt zu einer Bewährungsstrafe).
Außerdem machte Stiller umfassende Angaben über die Technologie-Beschaffungslinie des [[HVA-Sektor Wissenschaft und Technik|SWT]] in Wien.<br>''(Quelle der Aufzählung: Erich Schmidt-Eenboom: Der Schattenkrieger. Klaus Kinkel und der BND, ECON Vlg. 1995; ISBN:3430180147; S. 191ff.)''
*weitere ca. 40 Agenten konnten sich nach Warnung der [[Zentrale des MfS|"Zentrale"]] noch rechtzeitig in die DDR absetzen.
*Stiller identifizierte [[Markus Wolf]] auf einem Foto, das die schwedische Aufklärung am 01. Juli [[1978]] in Stockholm aufgenommen hatte - dadurch verfügten die westlichen Dienste über die erste aktuelle Aufnahme des "Mannes ohne Gesicht" seit 20 Jahren. Am 05. März [[1979]] veröffentlichte "DER SPIEGEL" dies als Titelgeschichte, lanciert über den [[BND]].
*Stiller informierte BND und [[CIA]] insbesondere über den unerwartet großen Umfang der Wirtschafts- und Technologiespionage der DDR.
Der BND behauptete damals wahrheitswidrig, Stiller hätte schon lange Zeit als Maulwurf gearbeitet - offensichtlich um die "moralisch" schwer getroffene HVA weiter zu demütigen.
Von der CIA erhielt Stiller eine neue Identität als "Klaus-Peter Fischer". Er absolvierte ein BWL-Studium in St. Louis (Missouri) und war später als Investmentbanker in den USA tätig. [[1986]] veröffentlichte er sein Erinnerungsbuch "Im Zentrum der Spionage". Anfang der 1990er Jahre kehrte Werner Stiller nach Deutschland zurück. Er "outete" sich mit einem Fernsehauftritt in der SAT.1-Telebörse, allerdings ohne seinen wahren Namen zu erwähnen.
Einen ähnlichen Überlaufversuch plante wenig später der [[Hauptverwaltung Aufklärung|HVA]]-Hauptmann [[Werner Teske]], setzte sie jedoch nicht in die Tat um. Diese Pläne wurden später entdeckt, und das [[Oberste Gericht]] verurteilte Teske in einem Geheimverfahren zum Tode.
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