Die Umweltbibliothek: eröffnet am 2. September 1986 im Keller des Gemeindehauses der Ost-Berliner
Zionskirchengemeinde (Pfarrer Simon). Initiatoren der Bibliothek, u.a. Carlo Jordan und Wolfgang Rüddenklau.
Sie erhielten Unterstützung von der Partei "Die Grünen" der BRD.
In der Nacht vom 24.11 zum 25.11 1987 wurde die UB von der Stasi durchsucht. 2 Mitarbeiter wurden verhaftet.
Die AK vom 26.11.1987 berichtete darüber. Daraufhin wurden Protesttransparente an der Zionskirche angebracht
die später von der Feuerwehr unter Medienbeobachtung entfernt wurden.
Durch Proteste gelang es die Verhafteten freizubekommen. Danach war die UB bekannt und wurde von den
staatlichen Stellen geduldet. Publikationen waren die Umweltblätter ? und die Zeitschrift telegraph
Am 12.10.1989 veröffentlichte die UB einen Aufruf, der jedoch in der Wendezeit ohne größeres Echo blieb.
(diese Erklärung ist noch nirgends im Netz zu finden, ich habe sie hier als alte Nadeldruckerkopie auf Leporellopapier
Leider die UB als Autor nicht zweifelsfrei, da diese bei mir auf der Kopie nur handschriftlich mit Bleistift nachgetragen wurde
und auch sonst keine Autoren dastehen. Ich lasse sie hier trotzdem mal stehen und werde Rüddenklau mal anmailen.
Je mehr ich von diesem Papier abtippe, könnte es auch von einer unabhängigen Gewerkschaftsbewegung sein.)
ERKLÄRUNG
Massenhafte Proteste der Bevölkerung angesichts der politischen und wirtschaftlichen Misere unseres Landes
und zunehmende Unmutsbekundungen verschiedenster Art, bis hinein in die Reihen der SED, haben nun auch die
SED-Parteiführung zum reagieren genötigt. Die, auf einer Krisensitzung des Politbüros unter Hinzuziehung weiterer
ZK-Mitglieder, verabschiedeten Erklärung vom 11.Oktober [1989] bedauert erstmals die Massenabwanderung vor allem
junger Bürger der DDR und bietetendlich den bisher verweigerten Dialog mit allen gesellschaftlichen Kräften an.
Dies ist sehr zu begrüßen.
Die gleichzeitige Einschränkung der Dialogbereitschaft, mit dem Hinweis, nicht mit randalierern und antisozialistischen Kräften
sprechen zu wollen, orientiert sich an den bekannten Vorverurteilungen und deutet nicht darauf hin, daß die wirklichen Probleme
erkannt worden sind. Offensichtlich ist die Parteiführung weder bereit noch in der Lage, der sich entwickelnden Vielfalt
sozialistischer Tendenzen Strömungen und Kräfte (auch aßerhalb der SED) Rechnung zu tragen und behält sich offenbar vor,
sie nach dem bekannten Muster als konterrevolutionär zu diffamieren. Dennoch meinen wir, daß nun gebotene Möglichkeiten des
Dialogs genutzt werden müssen.
Jetzt ist es am Wichtigsten, daß die Impulse für eine Erneuerung von den Betrieben ausgehen. Auf der Tagesordnung steht die
Bildung unabhängiger Kommisionen der Werktätigen, die innerhalb und außerhalb der Gewerkschaften alle Möglichkeiten zur
selbstständigen Vertretung ihrer eigenen Angelegenheiten nutzen. Wir meinen, daß der nächste Schritt die Schaffung von Betriebsräten
seien sollte. Von ihnen können dann auch entscheidende Initiativen für eine demokratische Erneuerung von unten ausgehen.
Die Situation erfordert auch von allen unabhängigen Gruppen und Initiativen, die für eine Demokratisierung einteten, ihre Verantwortung
zu wahren und mit konkreten Vorschlägen für eine freiheitliche und demokratische Gestaltung des Sozialismus in die Diskussion einzutreten.
Durch die Erarbeitung hierzu notwendiger konkreter Vorschläge, müssen die, sich hier entwickelnden Gemeinsamkeiten auch gemeinsam
vertreten werden.
Unserer Ansicht nach sind folgende Maßnahmen zu verwirklichen:
SOFORTMASSNAHMEN ZUR VORBEREITUNG DES LANDES FÜR EINEN WEG DER SOZIALISTISCHEN DEMOKRATIE UND FREIHEIT
1.) Rücktritt des Politbüros der SED und der Regierung wegen der Hauptverantwortung für den katastrophalen Massenexodus
der Jugend und wegen des völligen Verlusts von Vertrauen im Volk.
2.) Bildung einer neuen politischen Führung und einer zeitlich begrenzten Übergangsregierung aus reformwilligen Kräften
zur Verwirklichung folgender Maßnahmen:
- a.) sofortige Demokratisierung der Presse und Einstellung der Pressezensur
- b.) Legalisierung des Neuen Forum und aller anderen, für sozialistische Demokratie einstehenden Gruppen sowie Aufnahme eines gleichberechtigten Dialogs über alle zu lösenden gesellschaftlichen Probleme.
- c.) Gewährung der freien und öffentlichen Diskussionin allen gesellschaftlichen Organisationen und Parteien.
- d.) Veröffentlichung aller Daten und Informationen über den tatsächlichen Zustand von Wirtschaft und Gesellschaft dies betrifft insbesonder:
- den Zustand der Staatsfinanzen
- den wirklichen Zustand und die tatsächlichen Ergebnisse der Volkswirtschaft, darunter
- der Außenwirtschaft (insbesondere Handels- und Zahlungsbilanz
- der Aufwendung für Verteidigung und innere Sicherheit
- der Kosten und Kostenstruktur des Staats- und Parteiapparates
- die Sozialstruktur, einschließlich der Beschäftigten im Staats-, Partei- und Wirtschaftsapparat (darunter auch im Sicherheitsapparat)
- die Einkommensverteilung der Bevölkerung einschließlich der Einkommen der Nomenklaturkader und ihrer sonstigen Einkünfte, Zuwendungen und Privilegien sowie personengebundener Nutzungsrechte)
- die Umweltdaten
- den Zustand des Gesundheitswesens und der medizinischen Versorgung das Gesundheitsniveau der Bevölkerung und ihre Lebenserwartung nach Regionen sowie im internationalen Vergleich.
- den Umfang des gegenwärtigen Ausreisewunsches der Bevölkerung (Veröffentlichung der Zahl der Antragsteller und der Ausreisenden sowie ihre soziale und berufliche Zusammensetzung nach Territorien)
- e.) Beginn einer öffentlichen Diskussion über Ziele und Mittel einer radikalen Demokratisierung des politische wirtschftlichen und kulturellen Lebens unserer Gesellschaft.
- f.) Erteilen von Reisegenemigungen an jeden Bürger für 30 Tage (lediglich mit den international üblichen Einschränkungen aus Gründen der nationalen Sicherheit) unter Bereitstellung von Devisen im Wert von 500.- DM pro Person und Jahr.
- g.) Rückkehrangebot an alle ausgereisten und ausgebürgerten ehemaligen DDR-Bürger
- h.) Einberufung eines regierungsunabhängigen Kongresses demokratisch und geheim gewählter Delegierter der Betriebsbelegschaften innerhalb von 3 Monaten zwecks:
- Beratung der politischen und wirtschaftlichen Situation in der DDR
- Erarbeitung von Maßnahmen zur Durchführung einer radikalen Demokratisierung aller Lebensbereiche der Gesellschaft einschließlich der Gewerkschaften
- Erarbeitung von Maßnahmen zur Sicherung des Lebensstandards und der sozialistischen Errungenschaften des Volkes
- Wahl von unabhängigen Reformern als demokratisch legitimierte und dem Kongress verantwortliche Volksvertreter in einer breiten Reformregierung
3.) Bildung einer breiten Koalition der Vernunft und des Realismus zur Verwirklichung einer radikalen Verfassungs- und Gesellschaftsreform
im Geiste sozialistischer Demokratie und Freiheit. Ausdruck einer solchen Koalition der Vernunft, muß die Bildung einer konsequenten muß die Bildung einer konsequenten Reformregierung auf dem Boden des Anti-Stalinismus und Anti-Kapitalismus sein. Diese Regierung sollte sich aus, durch ihre Taten legitimierte Vertreter des Reformflügels von Partei und Staatsapparat einerseits sowie aus demokratisch gewählten Vertretern des Kongresses andererseits zusammensetzen.
SOFORTMASSNAHMEN EINER KONSEQUENTEN REFORMREGIERUNG
Die selbstverständliche Voraussetzung einer Regierungskoalition der sozialistischen Freiheit und Demokratie in der DDR
ist die außenpolitische Bündnis- und Vertragstreue. Vor allem das Bündnis zwischen einer demokratisierten Sowjetunion, einem demokratisierten
Polen und einer demokratisierten DDR und insbesondere die Anerkennung der Grenzen ist von existentieller Bedeutung für jedes dieser Länder.
Der Regierungsauftrag einer solchen Reformregierung muß folgendeInhalte voranbringen:
1.) Umfassende Vorbereitung und Durchführung einer radikalen Verfassungs- und Gesellschaftsreform im geiste des freiheitlichen und demokratischen Sozialismus auf der Basis:
- des gesellschaftlichen Eigentums an den Produktionsmitteln als vorherrschende und perspektivische Grundlage sozialistischer Vergesellschaftung.
- des Ausbaus der Selbstbestimmung der Produzenten in Verwirklichung realer Vergesellschaftung der gesamten ökonomoschen Tätigkeit
- der konsequenten Verwirklichung des Prinzips der sozialen Sicherheit und Gerechtigkeit für alle Gesellschaftsmitglieder
- der politischen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, konsequenten Verwirklichung der ungeteilten Menschenrechte und freien Entfaltung der Individualität jedes Gesellschaftsmitgliedes.
2.) Durchführung einer konsequenten Wirtschaftsreform unter Durchsetzung der betrieblichen Selbstverwaltung der Werktätigen als Hauptform einer Weiterentwicklung staatlichen Eigentums.
3.) Ausarbeitung eines Programms der wirtschaftlichen, technischen und ökologischen Modernisierung unter Wahrung der sozialen Gerechtigkeit, und unter Ausschluß von Arbeitslosigkeit.
4.) Durchführung von Wirtschaftsreform und Modernisierung als komplexes Programm unter Wahrung sozialer Sicherheit, Gerechtigkeit und unter Ausschluß von Arbeitslosigkeit.
5.) initiativen der DDR zur Ausarbeitung und Umsetzung eines Programms der Reformierung des RGW sowie der Organisation des Warschauer Vertragesentsprechend den Grundsätzen eines demokratischen und freiheitlichen Sozialismus.
6.) Aufnahme von Verhandlungen mit der Bundesrepublik Deutschland über die langfristige Ausgestaltung des Grundlagenvertrages entsprechend dem Grundsatz: "Zwei Staaten - eine Nation" mit den Zielen:
- a.) gegenseitige staatsrechliche Anerkennung
- b.) Entwicklung der Beziehungen unter Berücksichtigung des besonderen Charakters der Existenz zweier souveräner Staaten
gegensätzlichen sozialökonomischen Charakters auf dem Boden einer Nation. und Ausbau aller Aspekte des gemeinsamen nationalen Zusammenhangs.
- c.) Ausarbeitung eines verbindlichen Rahmens zur Wahrnehmung gesamtdeutscher Verantwortung - insbesondere für den Frieden- unter Wahrung der Souveränität beider deutscher Staaten.
7.) Abgabe einer Existenzgarantie für die freie und unabhängige Entwicklung von Berlin (West) auf der Grundlage des Vier-Mächte-Abkommens und Abschluß einer vertraglichen Regelung zwischen der DDR, der BRD und Westberlin zur Ausschaltung von Statusproblemen.
8.) Ausarbeitung eines Programms zur Entwicklung beider Teile Berlins zum politischen, wirtschaftlichen und kulturellemn Bindeglied zwischen Ost und West.
9.) Untersuchung stalinistischer Verbrechen in der DDR und ihre konsequente Aufarbeitung sowie Rehabilitierung und Entschädigung aller Opfer
10.) Verurteilung des völkerrechts- und verfassungswidrigen Einmarsches von Truppen der NVA der DDR in die CSSR im August 1968 und Entschuldigung bei den Völkern der CSSR.
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