Martin Kelm (* 1930) war langjähriger Leiter des Amtes für industrielle Formgestaltung ? (AIF) und ab 1972 in dieser Funktion Staatssekretär beim Ministerrat.
Biographisches:
Die Karriere des nach Einschätzung von Kollegen eher mäßig begabten Designers Kelm, dessen "bahnbrechende" Arbeiten die Gestaltung eines Fernsehgerätes und eines Portaldrehkrans waren, hing untrennbar mit dem Aufstieg von Erich Honecker zusammen. Kelms Ehefrau war jahrzehntelang Honeckers Chefsekretärin, und an der beruflichen Entwicklung von Martin Kelm lässt sich prototypisch das Wirken des berühmten "Vitamin B" nachweisen.
Die gestiegene Bedeutung von Honecker nach dem von ihm organisierten Mauerbau bewirkte ebenso einen Karrieresprung für Kelm, wie Honeckers Ernennung zum Ersten Sekretär der SED (jeweils mit ca. 1 Jahr Latenz).
Nach dem Sturz Honeckers 1989 waren auch Kelms Tage als Staatssekretär gezählt.
Kelm sah seine Aufgabe in der "Erziehung" des Bürgers durch die Formgestaltung ? - Erziehung im Sinne des Marxismus-Leninismus. Insofern sind manche Gebrauchsmängel von DDR-Konsumgütern ? nicht ausschließlich oder unmittelbar auf Materialknappheit und Produktionsengpässe zurückzuführen. Dem wirtschaftlichen Zwang als Ausdruck des Klassenkampfs mit dem "Gegner" Kapitalismus ? wurde unter Kelms Ägide das Design bereitwillig untergeordnet.
Folglich gab es in der DDR während ihrer letzten beiden Jahrzehnte - mit Ausnahme der zum Abschöpfen von Kaufkraft gedachten "Luxusgüter" - kaum auf Verkaufsförderung ausgerichtete Produktgestaltung (und keine Produktreklame). Wenn dieser Zustand von vielen Neu-Bundesbürgern im Rückblick auch als angenehm betrachtet wurde, darf nicht übersehen werden, dass bei den Vorgaben des zeitweiligen Bauhaus ?-Kurators Martin Kelm für das Produktdesign eben nicht der Mensch im Mittelpunkt stand: ein grundsätzlicher Mangel, der sich in vielen lieblos gestalteten und unzweckmäßigen Gebrauchsgütern niederschlug.
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