Schreiben Schalck an Matern vom 29.12. 1965

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Dokument: Das Schreiben vom 29. Dezember 1965, in dem Alexander Schalck-Golodkowski gegenüber Hermann Matern ? die Bündelung der Verantwortlichkeiten in illegalen Geschäftsoperationen mit SED-Parteifirmen in der BRD und Westberlin, bei den Kirchengeschäften ? und Vertreterfirmen anregte.

Schalck selbst hat den Brief verschiedentlich als Fälschung bezeichnet, konnte aber keine vernünftige Erklärung abgeben, wieso das Schreiben nicht der Wahrheit entspräche (die Inhalte sind so korrekt). Grund war vermutlich das konkrete Benennen von "unseriösen" Praktiken in diesem Brief. Ein Bekenntnis dazu wäre einem Schuldanerkenntnis gleichgekommen.

Der 1. Untersuchungsausschuss der 12. Wahlperiode des Bundestages hat den Brief für echt befunden. Er gilt als das Schlüsseldokument zur Gründung des Bereiches Kommerzielle Koordinierung.


Alexander   S c h a l c k       Berlin, den 29. Dez. 1965

Persönlich!

Mitglied des Politbüros
Genossen Hermann   M a t e r n

Werter Genosse   M a t e r n   !

Mit Abschluss des Jahres 1965 möchte ich Dich zu zwei Komplexen informieren:

1. Erreichter Stand der im Jahre 1965 für die Partei erwirtschafteten Gelder;

2. Einige Gedanken über die Fortführung der Arbeiten im Jahre 1965.


1. Insgesamt wurden im Jahre 1965 abgeführt:

An das Zentralkomitee in bar:     1.239.500,— DM


Darüber hinaus wurden an die Abteilung Verkehr, Genossen Szigulla, übergeben:

2 Pkw (fabrikneu), Type BMW 1600, mit einem Gesamtwert von     18.400,— DM

und

1 Pkw (gebraucht), Type Opel-Kapitän,     5.000,— DM


An Genossen Steidl wurden übergeben:

2 Kopiergeräte milt einem Wert von     2.766,55 DM


Der Fa. NOLTE bzw. SOCOLI wurden zur Finanzierung der gegenwärtig in diesen Betrieben arbeitenden Funktionären (Braukamp, Judick, Olak) sowie zur Einrichtung des Westberliner Büros im Jahre 1965 insgesamt gegen Quittung übergeben:     267.406,— DM

(In dieser Summe ist ein erheblicher Teil Mittel enthalten für den Ausbau des neuen Hauses in Bochum, Kurfürstenstr. 20, das am 30. 6. 1966 in das Privateigentum von Fritz Nolte übergeht).


- 2 -

Zur Sicherung der von uns an die Fa. NOLTE übermittelten Gelder habe ich vorgeschlagen, dass über die von uns beim Ausbau des Hauses Kurfürstenstr. 20 investierten Mittel eine Vereinbarung zur Sicherung der Eigentumsrechte durch uns mit der Fa. NOLTE getroffen wird. Die Verfahrensweise müsste im einzelnen noch mit einem Rechtsanwalt abgestimmt werden. Ich bin der Auffassung, dass bis zum Vorliegen dieser Vereinbarung an die Fa. NOLTE keine weiteren Barzahlungen erfolgen (bis auf evtl. notwendige Gelder für die Finanzierung der drei Genossen), da keine Gewähr besteht, dass die über die Finanzierung der dort beschäftigten Genossen hinaus übermittelten Gelder uns zum grössten Teil erhalten bleiben.

Mit Stand vom 28. Dezember 1965 befinden sich noch Barmittel im Werte von     262.170,15 DM-West
in meinen Händen, die ich Dir unmittelbar am Jahresbeginn übergeben werde.

Aufgrund der getroffenen Absprache mit Genossen   S t e i d l   wurden die an der Erwirtschaftung der Mittel beteiligten Genossen anlässlich des Jahrestages der Republik und des Jahreswechsels 1965 mit Geld- und Sachprämien ausgezeichnet.

2.

Der bisherige Rahmen meiner Tätigkeit war relativ klein gehalten, weil auch zeitlich keine Voraussetzungen bestanden, dieses Aufgabengebiet weiter auszudehnen.

Aufgrund der gesammelten Erfahrungen bin ich der Auffassung, dass reale Möglichkeiten bestehen, dass der Parteiführung im Jahre 1966 3 - 4 Mio DM-West zur Verfügung gestellt werden können. Dazu sind folgende Voraussetzungen notwendig:

- Es muss eine klare Abgrenzung und Festlegung der Vollmachten für die auf diesem und angrenzenden Gebieten tätigen Genossen vorgenommen werden. Dabei halte ich es für zweckmäßig, dass direkt im Ministerium für Aussenhandel und Innerdeutschen Handel eine einheitliche Leitung der Aussenhandelsgesellschaften Zentralcommerz, Intrac und Transinter erfolgt, die bereits mehrere Jahre durch Börsengeschäfte, Schwitchgeschäfte u. a. Geld- und Warenoperationen -ohne Warenbewegungsplan- Devisen direkt für den Staatshaushalt erwirtschaften. Diese einheitliche Leitung ist bisher nicht in der notwendigen Form vorhanden und sollte durch einen stellv. Minister im MAI wahrgenommen werden, bzw. HA-Leiter des MAI.

Dieser Kreis der Geschäfte wird von unserer Tätigkeit nur indirekt berührt, indem wir mit einigen Geschäftspartnern dieser Unternehmen -nach Vorliegen eines ausgehandelten Preises mit dem Aussenhandelsunternehmen- Absprachen treffen, um uns einen bestimmten Prozentsatz oder festgelegten Geldbetrag aus ihrem Gewinnanteil zu sichern. Da es sich hier mehr oder weniger um unseriöse Methoden handelt, können solche Funktionen durch den Staatsapparat oder durch die staatlichen Aussenhandelsunternehmen im Prinzip nicht wahrgenommen werden.


- Die zweite Gruppe von Sondergeschäften resultiert aus Vereinbarungen mit der Kirche und einem weiteren Sonderkomplex, die von einem Bevollmächtigten des Ministers im Ministerium für Aussenhandel und Innerdeutschen Handel direkt koordiniert werden. Auch bei diesen Geschäften werden unsere Interessen nicht berührt und sollten in der bisherigen Form weiter so gehandhabt werden.

- Die dritte Gruppe von Geschäftsoperationen wird durch mich, in Zusammenarbeit mit einigen wenigen Genossen organisiert. Dabei haben uns vor allem Vertrauensfirmen des MfS, die Fa. SIMON und die Fa. GERLACH, ausserordentlich grosse Hilfe und Unterstützung gegeben. Ich halte es für durchaus real, dass die von mir eingeschätzten 3 - 4 Mio DM-West für das Jahr 1966 erwirtschaftet werden können, wenn man diese Arbeit hauptamtlich durchführen könnte und wenn entsprechende Vollmachten durch den Minister für Aussenhandel und Innerdeutschen Handel sowie eine enge Zusammenarbeit und Hilfe durch den zuständigen Bereich im MfS erfolgen würde.

Diese Hilfe und Unterstützung ist deshalb notwendig, weil eine Reihe von Operationen, wie illegale Warentransporte, Versicherungsbetrug u. a. streng geheimzuhaltende Massnahmen, die nur einem ausserordentlich kleinen Kreis -nicht mehr als zwei bis drei Mitarbeitern- bekannt sein dürfen und von ihnen durchgeführt werden sollten. Der Genosse, der im Staatsapparat diese Aufgabe durchführt, sollte direkt Dir oder dem zuständigen Abteilungsleiter im Zentralkomitee rechenschaftspflichtig sein.

Alle Massnahmen, die der Unterbringung von Funktionären in legale Arbeitsverhältnisse dienen, sollten direkt durch im Parteiapparat des Zentralkomitees dafür verantwortlich zu machende Genossen durchgeführt werden. Ich bin der Meinung, dass eine strenge Trennung zwischen der Erwirtschaftung von Geldmitteln und der Verwendung dieser Mittel sowie des Einsatzes von Kadern in Westdeutschland erfolgen sollte. Bei einer solchen Arbeitsteilung und Zusammenarbeit würde zweifellos die Möglichkeit bestehen, die notwendige Geheimhaltung abzusichern und darüber hinaus keine Überschneidung der Arbeit einzelner Bereiche nach sich ziehen.

(Unterschrift)
Alexander Schalck

Dieser Brief existiert in drei Exemplaren:

Original - Gen. Matern
1 Kopie - Gen. Steidl
1 Kopie - Gen. Schalck


Quelle: Bundestags-Drucksache 12/3462 (Erste Beschlußempfehlung und erster Teilbericht des 1. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes), S. 48 - 50.






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