Offiziere im besonderen Einsatz (abgekürzt OibE) waren hauptamtliche Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit im Offiziersrang (d.h. vom Unterleutnant bis zum Oberst), die im Auftrag des MfS Schlüsselpositionen in der zivilen Wirtschaft, in wissenschaftlichen und anderen gesellschaftlichen Einrichtungen (Kirche, Medien) sowie im Staatsapparat besetzten. Dies geschah unter Legende; das Dienstverhältnis des OibE mit dem MfS blieb den Kollegen am zivilen Arbeitsplatz also verborgen.
Ziel des Einsatzes der OibE war eine möglichst vollständige "Durchdringung" der Gesellschaft durch MfS-Mitarbeiter. Das geschah zum Zwecke der Informationssammlung, aber auch - im Gegensatz zum überwiegend auf das "Aushorchen" angelegten IM-Einsatz - zwecks Gewinnung von Einfluss auf Wirtschaftsprozesse, auf staatliche Entscheidungen und auf die öffentliche Meinung.
Im MfS hatten die OibE als Ansprechpartner und Vorgesetzten einen Führungsoffizier, der meist als Einziger über alle Details des Einsatzes (Auftrag, Legende, Notfallmechanismen etc.) informiert war. Der Führungsoffizier hatte genauso wie der OibE selbst über diesen Einsatz strengstes Stillschweigen zu bewahren, was - mit unterschiedlichem Erfolg - auch innerhalb des MfS galt. In der Regel hielt die Konspiration aber zumindest zwischen den Abteilungen bzw. Hauptabteilungen, so dass bei abteilungsübergreifenden Vorgängen umständliche Verfahren zur Verschleierung der Identitäten eingesetzt wurden ("Neutralisierung" von Berichten und Ähnliches).
Der Einsatz von OibE wurde zuletzt durch die vom Minister für Staatssicherheit Mielke im März 1986 erlassene OibE-Ordnung (Ordnung 6/86) geregelt. Daraus ergaben sich u.a. folgende Festlegungen:
- die OibE zählten zum Kaderbestand der sie abordnenden Diensteinheiten
- Kaderfragen, also den Einsatz der OibE am Arbeitsplatz betreffende Umstände, wurden zwischen der Diensteinheit und dem zuständigen Kaderinstrukteur abgestimmt
- Abmeldepflicht für OibE ggü. dem Führungsoffizier zum Wochenende sowie vor Urlaubs- und Dienstreisen
- Anlage von Arbeitsakten OibE (teilweise vergleichbar mit den Akten zu IM)
Die OibE wurden oft von der zivilen Arbeitsstelle und vom MfS entlohnt bzw. besoldet, was im Einzelfall bei exponierter Stellung und hohem Dienstgrad zu einer für DDR-Verhältnisse extrem guten Bezahlung führen konnte. So erhielt der wohl bekannteste OibE - der 1990 "enttarnte" Oberst Schalck-Golodkowski - zusätzlich zum Gehalt als Staatssekretär im Ministerium für Außenhandel noch eine MfS-Besoldung in Höhe der Bezüge eines Generalleutnants (ein Jahresgehalt von rund 55.000 Mark der DDR, ein durch Mielke veranlasster "Ausgleich" für die zwecks Aufrechterhaltung der Legende ausgebliebene Beförderung Schalcks zum General, siehe dort).
Andererseits gab es auch OibE von geringerer "operativer" Bedeutung, wie z.B. Sekretärinnen in Ministerien, die als MfS-Leutnant nur ein durchschnittliches Gehalt bezogen, aber dennoch hochkarätige Informationen liefern konnten.
Nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten wurden verschiedene Fälle publik, in denen OibE während und kurz nach der Auflösung des MfS die Bildung so genannter Seilschaften ? befördert und so Stasi-Strukturen in das gesamtdeutsche Wirtschaftsleben "hinübergerettet" hatten. Für die nachträgliche Beurteilung der Wende und ihrer Akteure war vermutlich die Entdeckung des bestplatzierten OibE des MfS am fatalsten: Der Oberst Harry Möbis ?, Offizier im besonderen Einsatz der Hauptabteilung XVIII, wirkte auch unter Modrow noch als Leiter der Arbeitsgruppe (AG) Organisation und Inspektion beim Vorsitzenden des Ministerrates und hatte faktisch unbegrenzte Möglichkeiten zur Einsichtnahme in alle Dokumente der Regierung - sowie durch sein Mitspracherecht bei Personalentscheidungen auch Einfluss auf die Postenverteilung in Ministerien und staatlichen Behörden.
|