AWG/Erlebnisbericht

Auf dieser Seite finden Sie einen (ggf. mehrere) Erlebnisberichte zum Thema des Hauptartikels AWG.
Sie können einen eigenen Erlebnisbericht zum Thema AWG hinzufügen:
Klicken Sie hierzu auf Seite bearbeiten.
Die strengen Autoren-Regeln gelten für Erlebnisberichte nicht.
Wohnen im Grünen
(Teil I)

Wir kriegten in den 80ern eine nette AWG-Wohnung im (inneren) "Grünen Gürtel" Berlins. Das war ein zentral gelegenes Neubauviertel mit hoher Dichte an "bewaffneten Organen".

Wir waren die Block-Exoten: Es gab im Haus noch einen SED-Perspektivkader, der aber nie seine Chance kriegte, sonst fast nur NVA, VP (viele Politoffiziere), MfS-Personenschützer, Leute vom WKM ?, Trapo, etwas Feuerwehr, mindestens einer von der K etc.pp., jedenfalls erzählten die das. Rückblickend vielleicht 50% Stasi, manches garantiert Legende.

Vor der Tür die Haltestelle der 32er und 78er Busse, beides klassische Bonzenschleudern Richtung Unter den Linden - Leipziger Straße.

Einige hatten Dienstwagen, als Privat-Kfz meist Trabis oder Wartburgs. Ein ruhiger Herr aus 0301 arbeitete wohl in der Wallstraße, ich traf ihn 2-3mal vor Schalcks Hütte. Außer uns hatte nur der einen Lada ?, gegenüber stehende 1500er/1600er Ladas fielen auf: Kennzeichen (3+3)stellig, Berlin-I, dann Buchstaben des ersten Alphabetdrittels (IA?-IE?, später bis IH?). Oft saßen zwei, mal drei Windjacken drin, schlenderten einzeln ins Haus oder zur Kaufhalle ?. Meine Eltern und unser Nachbar Oberleutnant E. meinten, das seien "die Schwulen". Damit konnte ich nichts anfangen - das nur nebenbei.

Die E.s führten eine Wochenend-Ehe, und vor allem führten sie das Hausbuch ?. Sie war wohl die Verantwortliche, und das hieß: Penetrantes Besucher-Hinterfragen, war ja ab 24 h meldepflichtig. Ohne West-Verwandte OK; aber als zu meiner Jugendweihe doch mal jemand aus WB einlief, klingelte ca. 1 Stunde später tatsächlich die E. und fragte die Personalien ab - peinlich!

Warum in der 1-Raum-Wohnung nebenan keiner wohnte, wieso der "Mieter" nicht auf dem Putzplan stand, konnte sie nicht sagen. Wir Witzbolde haben die Treppenputz-Karte gern in "dessen" Kasten geworfen, sehr effektiv um den Wochenrhythmus zu unterbrechen.

Einmal kriegte ich das Hausbuch in die Hand, und bevor ich es zurückgab, notierte ich auf zwei A4-Blättern alle die Mieter-Namen samt vorhandener Daten, wo Beruf/Arbeitsstelle resp. Familienverhältnisse (vgl. Wohnungsgröße/-belegung usf.) fehlten oder unlogisch waren. Eigentlich vollkommen bekloppt, OK, und verboten sowieso. Aber mich hat z.B. immer die Heimlichtuerei um die Stasi-Kinder in meiner Klasse geärgert, und Geheimnisse kann ich generell nicht ausstehen.

Nach der Wende dann volle Bestätigung, auch wenn meine Privat-Spitzelei keine wirklich neuen Erkenntnisse brachte. Da gab es dann diverse Listen und "Enthüllungen" im Wochentakt - Namen, konspirative Wohnungen ? (KW) usw. Allein 5 KW waren in unserem Haus, die 3 in unserem Aufgang kannte ich immerhin schon vorher.

Ach ja: 2 Jahre danach fand man in einer anderen KW in der Nähe einen toten Ex-Stasi, verstorben etwa Ende 1989 und schon mumifiziert (Abb.). Nach damaliger Amateur-Recherche wohl derselbe, der vorher lange Zeit als Pseudo-Mieter unserer leeren Nachbarwohnung fungierte. Tja, die besten Geschichten schreibt immer noch das Leben, oder wie der Volksmund sagte: "jibt's in keenem Russenfilm".

Abb.: Zählt das als "Opfer" der "friedlichen Revolution"?

Ansonsten gab es einen Oberstleutnant der HA PS im 7. Stock als höchste Charge unter unseren Nachbarn. Die restlichen Stasis waren - soweit im Nachhinein identifizierbar - niedere Offiziersdienstgrade bis maximal zum Hauptmann oder Unteroffiziere, alles durchschnittlich. Oberleutnant E. hat sich übrigens 1990 mit nur einem schäbigen Koffer in der Hand aus dem Staub gemacht (vgl. Teil III) und seine Olle sitzen lassen, die meisten anderen Ex-Hauptamtlichen blieben da wohnen.

Wie wir nach der "Wende" ebenfalls bestätigt fanden, wohnte einen Block weiter praktisch nur noch Stasi. Bis ca. 1997 z.B. der unrühmlich bekannt gewordene Hauptmann Schachtschneider, ehemals Abt. XX der BVfS Berlin, der mit seinem Auffliegen als IK-Unterwanderer das Landesamt für Verfassungsschutz erledigte.

Was damals die komischen Observierer wollten, die sich so auffällig verhalten haben, würde ich immer noch gern wissen. Ein Ex-CIA-Mann (M.B.) hat mal was über eine versuchte Anwerbung in Ost-Berlin geschrieben, die von ihm angedeuteten Umstände passen recht gut. Bei Licht besehen sind solche Gedanken aber ziemlich idiotisch... -- Mitautor-Harry T. (am 25.09.2004)






Konzeptionsgemäß (Das Wiki-Prinzip) arbeiten viele Autoren gemeinsam am DDR-Lexikon. Artikel könnten Fehler enthalten oder Rechte Dritter verletzen. Sämtliche Verletzungen der Rechte Dritter gehen zu Lasten des jeweiligen Autoren. Der Betreiber sichert zu, dass er Artikel, die Rechte Dritter verletzen, nach Aufforderung löscht.
Nutzungsrecht: Der Nutzer erhält das Recht zur privaten Nutzung entsprechend UHG. Jede weitere Verwertung im Sinne des UHG ist ohne schriftliche Zustimmung nicht zulässig.