Absatz 1 | Absatz 1 | |
Der '''Atheismus''' (von ''a theos'', ohne Gott) war in der DDR '''''keine Pflicht''''', d.h. es bestand laut [[Verfassung]] die ''Freiheit der [[Religion]]''. Die [[Kirche|Kirchen]] wurden nicht in vergleichbarem Maße verfolgt wie etwa in der CSSR oder der [[Sowjetunion]], sondern konnten sich (mit misstrauischer Beobachtung und "Durchdringung" durch das [[Ministerium für Staatssicherheit|MfS]]) Freiräume erhalten und sogar eine gewisse Gegenöffentlichkeit etablieren. | '''Atheismus''' | |
Absatz 8 | Absatz 8 | |
In den Anfangsjahren der DDR wurden Vertreter der [[Religion|Religionen]] vereinzelt noch als Feinde des Volkes bzw. des Fortschritts charakterisiert, etwa in Kinderbüchern, die aus dem Russischen übersetzt wurden. Mit der stärkeren Einbeziehung der [[Kirche]] in die [[entwickelte sozialistische Gesellschaft]] spätestens seit Ende der 60er Jahre wandelte sich die Einstellung zu einer Art väterlich-großzügiger Duldung, wobei die [[Religion|Religionsanhänger]] sinngemäß als "zurückgebliebene", aber überwiegend gutwillige Menschen hingestellt wurden. | In den Anfangsjahren der DDR wurden Vertreter der [[Religion|Religionen]] vereinzelt noch als Feinde des Volkes bzw. des Fortschritts charakterisiert, etwa in Kinderbüchern, die aus dem Russischen übersetzt wurden (z.B. "Schwambranien" von Lew Kassil). Mit der stärkeren Einbeziehung der [[Kirche]] in die [[entwickelte sozialistische Gesellschaft]] spätestens seit Ende der 60er Jahre wandelte sich die Einstellung zu einer Art väterlich-großzügiger Duldung, wobei die [[Religion|Religionsanhänger]] sinngemäß als "zurückgebliebene", aber überwiegend gutwillige Menschen hingestellt wurden. | |
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Mit dem praktischen Ausschluss von einer [[Hochschulen|Hochschulbildung]] blieb z.B. den jungen Christen oft eine ansprechende Lebensperspektive verwehrt. Die nach damaligem Usus tragfähige Begründung lautete "mangelndes politisches Bewusstsein" oder "unzureichende gesellschaftliche Tätigkeit", eine Voraussetzung für den Besuch der [[Erweiterte Oberschule|EOS]]. Ausnahmen bildeten die Kinder bekannter Pfarrer oder von Kirchenfunktionären, deren Benachteiligung unerwünschte Aufmerksamkeit im Lande und besonders im Westen gebracht hätte. | ||
Insgesamt hatte die [[SED]]-[[Volksbildung]] im Bereich der [[Schule]] effektive Mechanismen etabliert, die geeignet waren, religiöse Vorstellungen unattraktiv zu machen bzw. solche gar nicht erst entstehen zu lassen. | Insgesamt hatte die [[SED]]-[[Volksbildung]] im Bereich der [[Schule]] effektive Mechanismen etabliert, die geeignet waren, religiöse Vorstellungen unattraktiv zu machen bzw. solche gar nicht erst entstehen zu lassen. | |
Absatz 15 | Absatz 14 | |
Die Begünstigung und explizite Förderung des '''Atheismus''' durch staatliche und halbstaatliche Maßnahmen geschah in den Anfangsjahren rigoroser und später ebenfalls subtiler. Die deutlichsten und am besten belegten Schritte zur Bekämpfung (oder "Überwindung") der christlichen Tradition waren sicher: | Die Begünstigung und explizite Förderung des '''Atheismus''' durch staatliche und halbstaatliche Maßnahmen geschah in den Anfangsjahren rigoroser und später ebenfalls subtiler. Die Einführung des arbeitsfreien Sonnabends in den sechziger Jahren wurde auch zur Bekämpfung (oder "Überwindung") der christlichen Tradition genutzt - neben dem Tag der Befreiung vom Hitlerfaschismus (8. Mai) wurden vor allem christliche Feiertage abgeschafft und zu Arbeitstagen erklärt (z.B. Christi Himmelfahrt, den Buß- und Bettag, regionale katholische Feiertage und Ostermontag). Trotzdem gelang es nicht, die Tradition etwa an Himmelfahrt auszulöschen - den sinnentleerten "Vatertag" nutzten allerdings die meisten Männer (auch) in der DDR für Alkoholexzesse, und die Arbeit stockte in weiten Teilen der Volkswirtschaft an diesem Donnerstag. | |
Absatz 17 | Absatz 16 | |
Abgesehen davon, dass Heiligabend und Silvester volle Arbeitstage waren, gab es eine nachdrückliche ''Umwidmung'' der Feste: Einerseits hin zu heidnischen (vorchristlichen) Elementen - Weihnachtsmann und Osterhase ersetzten Christkind und den Gekreuzigten - und andererseits in Richtung kulturfremder Anlässe, etwa dem russischen Jolka-Fest. Hierbei wirkte eine Vielzahl von staatlichen und halbstaatlichen Maßnahmen, z.B. durch die Programmgestaltung in Rundfunk und Fernsehen, entsprechende Dekorationen in den Innenstädten und Verkaufseinrichtungen usw. usf. | Abgesehen davon, dass Heiligabend und Silvester zunächst volle Arbeitstage waren (später wurde halbtags gearbeitet; für beide Tage konnte auch ein Tag Urlaub genommen werden), gab es eine nachdrückliche ''Umwidmung'' der Feste: Einerseits hin zu heidnischen (vorchristlichen) Elementen - Weihnachtsmann und Osterhase ersetzten Christkind und den Gekreuzigten - und andererseits in Richtung kulturfremder Anlässe, etwa dem russischen Jolka-Fest. Hierbei wirkte eine Vielzahl von staatlichen und halbstaatlichen Maßnahmen, z.B. durch die Programmgestaltung in Rundfunk und Fernsehen, entsprechende Dekorationen in den Innenstädten und Verkaufseinrichtungen usw. usf. | |
Absatz 21 | Absatz 20 | |
Dass die Bemühungen der Staatsorgane zur Bekämpfung christlicher Traditionen sehr wohl durchschaut wurden, zeigte sich an diversen Witzen, wozu etwa die unausrottbare Legende von der "geflügelten Jahresendfigur" (=Engel) gehört und indirekt auch das sprichwörtliche "Erdmöbel" (=Sarg, eine Erfindung des [[Eulenspiegel]]). Letzteres wies auf den zunehmenden Einfluss der Staatsbürokratie auf Art und Weise der Bestattungen hin, was mit einer Abnahme der christlichen Begräbnisse einherging (dafür z.B. Trauerredner statt Pastor, "neutrale" Musikwahl). | Dass die Bemühungen der Staatsorgane zur Bekämpfung christlicher Traditionen sehr wohl durchschaut wurden, zeigte sich an diversen Witzen, wozu etwa die unausrottbare Legende von der "geflügelten Jahresendfigur" (=Engel) gehört und indirekt auch das sprichwörtliche "Erdmöbel" (=Sarg, auch eine Erfindung des [[Eulenspiegel]]). Letzteres wies auf den zunehmenden Einfluss der Staatsbürokratie auf Art und Weise der Bestattungen hin, was mit einer Abnahme der christlichen Begräbnisse einherging (dafür z.B. Trauerredner statt Pastor, "neutrale" Musikwahl). |
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