(umgeleitet von Mil-ND)

Militärnachrichtendienst

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Neben der Hauptverwaltung Aufklärung des MfS gab es noch einen weit weniger bekannten und etwas kleineren DDR-Nachrichtendienst:

Der Militärische Nachrichtendienst (Mil-ND) der NVA war für die Aufklärung der potenziellen Gegner der NVA zuständig. Die am längsten geltende (1964 - 1983, s. Tab.) korrekte Dienstbezeichnung war Verwaltung Aufklärung der NVA. Sie wurde in Anlehnung an die Hauptverwaltung Aufklärung der Sowjetarmee GRU organisiert, mit deren Vertretung in Potsdam-Babelsberg eine enge Zusammenarbeit bestand.

  • Tabelle: Mil-ND, Dienstbezeichnungen und Mitarbeiterzahlen

Zeitraum Bezeichnung Personalstärke
1952-1953 Allgemeine Verwaltung 56
1953-1956 Dienststelle 1000 100-250
1956 Verwaltung 19 431
1957-1958 Verwaltung für Koordinierung ?
1959-1964 Verwaltung 12 ?
1964-1983 Verwaltung Aufklärung >1.200
1983-1990 Bereich Aufklärung 2.240
1990 Informationszentrum i.Abw.

(Quelle: MfS-Handbuch, Anatomie der Staatssicherheit, Teil III/13: Die Hauptabteilung I: NVA und Grenztruppen. Hrsg. BStU, Berlin 2004, S. 23-28.)

Der Mil-ND unterstand als Stabsteil dem Hauptstab des Ministeriums für Nationale Verteidigung und war das Führungsorgan der militärischen Aufklärung. Der Leiter der Verwaltung Aufklärung der NVA war zugleich Chef der gesamten NVA-Aufklärung, jedoch unterstand ihm truppendienstlich nur das Fernmeldeaufklärungsregiment 2 in Dessau. Die restlichen Aufklärungstruppen bzw. -stäbe unterstanden truppendienstlich den "Leitern Aufklärung" der jeweiligen Truppenteile.

Begründet wurde die Armeeaufklärung/der Mil-ND mit Direktive des Ministers des Inneren vom 19. Juli 1952 als Verwaltung für Allgemeine Fragen; die Bezeichnung änderte sich später einige Male (s.o.). Der Dienstsitz war zuerst in der Behrenstraße in Berlin-Mitte, dann in der Regattastraße 25-29 in Berlin-Treptow; ab 1971 hatte der Dienst ein großes modernes Gelände in der Oberspreestraße 61-63. Ein neuer Hochbunker mit Lagezentrum wurde zur Wende 1990 gerade fertig gestellt (nach der dt. Einheit zog in die Gebäude das Kreiswehrersatzamt Berlin I der Bundeswehr ein). Getarnt war dieser Sitz nach außen als "Mathematisch-Physikalisches Institut der NVA".

1989 hatte die Armeeaufklärung (d.h. vermutlich Mil-ND inklusive Funkaufklärung; mit Zivilbeschäftigten) 2.240 Mitarbeiter. Davon waren 773 Offiziere und 8 Generäle. Die Zahl der nachweislich im Westen geführten Quellen war 1988 mit 93 vergleichsweise gering. Diese Quellen wurden als Agenturische Mitarbeiter (AM) bezeichnet. 3 illegale Residenturen standen in der BRD zur Verfügung. Die Zahl der im Inland inoffiziell für den Mil-ND arbeitenden Personen soll zum selben Zeitpunkt etwa 1.200 betragen haben.


Weitere zugehörige Einrichtungen:

  • Funkzentrum in der Grunowstraße 38, Berlin-Hellersdorf ?
  • Schule der Militäraufklärung ("Waldschule"), seit 1956 auf dem Truppenübungsplatz Klietz
    • daraus wurde das Militärwissenschaftliche Institut (MWI)
  • Sprachschule in Karl-Marx-Stadt
  • eigene Labors und Werkstätten

  • drei Funkpeilbasen:
    • Gützkow
    • Teutschenthal b. Halle (Saale)
    • Frankenberg/Trebon bei Budweis (Tschechoslowakei)
  • Funkaufklärungsregiment 2 (FAR-2, s.o.)
  • Funkaufklärungszentren:
    • Nord in Hornsdorf/Rüggow
    • Süd in Zella-Mehlis
    • West in Rohrberg
    • Ost in Gützkow
  • Dessau als Zentrum der Funkelektronischen Aufklärung der NVA

Es wurden ca. 400 NATO-Objekte abgehört. Als im Rahmen der Entspannungspolitik DDR-Militärbeobachter zu NATO-Manövern in der BRD zugelassen wurden, kamen diese - kaum überraschend - vom Mil-ND. Analoges galt für die Militärvertretungen.


Verantwortliche Leiter der Militäraufklärung:

Die Aufklärung gliederte sich in vier Bereiche:
(siehe hierzu auch:Gliederung Mil-ND), innerhalb des Mil-ND kam es im Laufe der Jahre zu diversen Umorganisationen.

  • Informationsdienst
    • Informationssammlung und Auswertung von militärisch wichtigen Erkenntnissen über die Streitkräfte der NATO, ca. 1.700 Aufklärungsojekte, davon 350 sehr wichtige; 1. Stellvertreter des Bereichs Aufklärung und Chef Informationsdienst Alexander Karin ? (ca. 1960-1990)
    • militärische Lagebeurteilung (Schwerpunkte: Mitteleuropa, Ostsee)
    • Auswertung offizieller Quellen (Medien, frei zugängliche Dienstvorschriften etc.) zu den gegnerischen Streitkräften
  • Agenturische Aufklärung
    • Informationsbeschaffung mit nachrichtendienstlichen Mitteln
    • Objektbeobachtung
    • Sammlung geheimen Materials aus verschiedensten Quellen
  • Truppenaufklärung, Oberst Wolfgang Seidel (1964-1975)
    • Erd-, Luft- und Seeaufklärung
    • Funkelektronische Aufklärung
    • Fernmeldeaufklärung (Fernmeldeaufklärungsregiment 2)
  • Militärattachédienst (erst ab 1974 zur VA)
    • Nutzung offizieller Kontakte
    • Aufklärung auf "diplomatischer Ebene"

Die nachrichtendienstliche Tätigkeit im engeren Sinne fand im Bereich der Agenturischen Aufklärung statt.


Anmerkungen zur Entwicklung:

  • Der Bereich Truppenaufklärung wurde zu Beginn der 1970er Jahre in den Mil-ND eingegliedert.
  • Der Bereich Militärattachédienst entstand Ende der 70er Jahre, nachdem im Zuge der diplomatischen Anerkennung der DDR auch zunehmend ausländische Militärmissionen eingerichtet wurden.
  • Ab dem 31. März 1990 wurde die Aufklärung Schritt für Schritt abgewickelt; am längsten hatte der Bereich Informationsdienst Bestand, dessen Kräfte auch im Ministerium für Abrüstung und Verteidigung ? zur Lagebeurteilung genutzt wurden.

1990 wurden auf Anweisung des "Ministers für Abrüstung und Verteidigung" Rainer Eppelmann fast sämtliche Unterlagen des Mil-ND vernichtet. Erhalten blieben lediglich wenige Fragmente, die im Rahmen des Informationsaustausches ins Ministerium für Staatssicherheit gelangt waren. Eppelmann erklärte später, sein Vernichtungsbefehl wäre nicht auf alle Akten bezogen gewesen, sondern von den Untergebenen falsch ausgeführt worden. Das Quellennetz des umbenannten "Informationszentrums" wurde zum 16.03.1990 offiziell abgeschaltet.

Der Dienst war an geheimen Waffengeschäften beteiligt, bei denen unter anderem ausgemustertes NVA-Material in Entwicklungsländer verkauft wurde. Für den Waffenhandel wurde eine Reihe von Firmen genutzt, zum Beispiel die Firma Ingenieur-Technischer Außenhandel ? (ITA).

Die Armeeaufklärung/der Mil-ND wurde gesichert - also abwehrmäßig überwacht - von der HA I des MfS (d.h. aus NVA-Sicht der Verwaltung 2000), von der dortigen Abteilung Äußere Abwehr/Unterabteilung 2. Sitz dieser UA 2 war ebenfalls im Dienstgebäude des Mil-ND in Berlin-Treptow; zu ihr gehörten knapp 40 MfS-Mitarbeiter.


Nicht zum Aufgabenbereich des Mil-ND zählten:

  • Die militärische Abwehr.
    • Die Außensicherung der NVA-Objekte gegen Militärspionage gehörte zu den Aufgaben der Hauptabteilung II des MfS.
    • Die "operative Sicherung" der personellen Strukturen der NVA oblag der Hauptabteilung I des MfS, die im internen Sprachgebrauch der NVA allerdings Verwaltung 2000 (V2000) genannt wurde (die Armeeaufklärung hieß in den 50er Jahren Dienststelle 1000, ferner gab es noch die Diensteinheit 3000 als Tarnbezeichnung für den MfS-OTS ?).
  • Andere Aufklärungsgebiete als die Militärspionage.
    • Diese fielen in die Zuständigkeit der Hauptverwaltung Aufklärung des MfS. Diese hatte auch eigene Abteilungen für die Militärspionage, so dass es teilweise zu Überschneidungen kam.


Literatur:

  • Bodo Wegmann: Die Militäraufklärung der NVA; Verlag Dr. Köster 2005 ISBN 3895745804
  • Andreas Kabus: Auftrag Windrose. Der militärische Geheimdienst der DDR; Berlin (Verlag Neues Leben) 1993 ISBN 3355014060
  • Walter Richter: Der Militärische Nachrichtendienst der Nationalen Volksarmee und seine Kontrolle durch das Ministerium für Staatssicherheit ISBN 3631383185 Hinweis-Link: http://www.berliner-mauer.de/medien/literatur/walterrichter.htm
  • Georg Herbstritt/Helmut Müller-Enbergs (Hrsg.): Das Gesicht dem Westen zu... DDR-Spionage gegen die Bundesrepublik Deutschland; Wissenschaftliche Reihe BStU, Band 23, Bremen 2003 (Edition Temmen) ISBN 3861083884 ; darin: Joachim Zöller: DDR-Militärspionage; Bodo Wegmann: Die Aufklärung der NVA
  • Klaus Behling: Der Nachrichtendienst der NVA; Berlin (edition ost) ISBN 3360010612

  • Siehe auch:





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