Inoffizielle Mitarbeiter (abgekürzt IM) des Ministeriums für Staatssicherheit waren Stasi-Mitarbeiter ohne Dienstverhältnis mit dem MfS und meist auch ohne reguläre Besoldung (mit Ausnahme der HIM, die allerdings trotz der Bezeichnung zu den Hauptamtlichen zählten).
Der inoffizielle Mitarbeiter traf sich mit seinem Führungsoffizier mehr oder minder regelmäßig in konspirativen Wohnungen ? und berichtete mündlich (seltener schriftlich).
Diese im Rückblick oft stark vereinfachend "Spitzel" genannten Mitarbeiter bildeten die "Hauptwaffe" des MfS zur Durchdringung der Gesellschaft; ihre Zahl betrug 1988 109.281 die durch 12.084 operative Mitarbeiter des MfS geführt worden. Weiterhin gab es Ende 1988 32.282 IMK .Zahlen für das Jahr 1989 liegen nicht vor, da immer erst im Feb. des Folgejahres genaue Statistiken vom MfS erarbeitet worden.
Aufgabe der IM war in erster Linie das Sammeln von Informationen - über einzelne Personen und Personengruppen, über die gesellschaftliche Stimmung allgemein und in besonderen Situationen, über Verhältnisse am Arbeitsplatz, in Familien oder Vereinen, sowie über "sicherheitsrelevante" Fakten aller Art. Die überzogene Definition der dem Ministerium für Staatssicherheit als Hauptaufgabe übertragenen Abwehr "gegnerischer Tätigkeit" führte im Laufe der Zeit zu einem allumfassenden Sicherheits- und Informationsbedürfnis der SED- und MfS-Spitze "Wer ist wer?" und damit zum Einsatz von IM in praktisch allen Bereichen des (gesellschaftlichen) Lebens.
In der vom 8. Dezember 1979 stammenden und vom 1.1.1980 bis 1989 gültigen Richtlinie 1/79 des Ministers für Staatssicherheit, Erich Mielke, wurde die Arbeit mit IM geregelt, dabei wurden folgende MfS-interne Kategorien festgelegt:
- IMB: Inoffizieller Mitarbeiter zur Bearbeitung im Verdacht der Feindtätigkeit stehender Personen.
Die IMB waren die für das MfS wichtigsten IM, ihr Anteil an der Gesamtzahl der IM war mit ca. 3.900 relativ gering. Vorläuferkategorien waren bis 1979 die IMV (Bedeutung wie bei IMB) und IMF (IM mit Feindverbindung ins OG). Die IMB waren direkt in die "bearbeiteten" Kreise (z.B. der Opposition) integriert oder hatten unmittelbaren Kontakt zu deren Mitgliedern (etwa Familienangehörige). Neben der Informationssammlung leisteten sie oft auch Mithilfe bei Zersetzungsmaßnahmen. IMB erhielten häufiger als andere IM Geldprämien, Geschenke oder andere Privilegien vom MfS, z.B. Unterstützung beim Kauf von Häusern, Autos, etc. Bekannte Beispiele für IMB: Wolfgang Schnur, Ibrahim Böhme.
- IME: Inoffizieller Mitarbeiter im (für) besonderen Einsatz.
IME waren IM mit speziellen Kenntnissen oder in besonderen beruflichen Positionen, die neben ihrer sonstigen Arbeit Aufträge des MfS ausführten (z.B. Spezialisten für Handschriftenerkennung, Toxikologen). In den Akten des MfS wurden sie mitunter auch als "Experten-IM" bezeichnet.
- IMS: Inoffizieller Mitarbeiter Sicherheit (zur Sicherung eines Objekts oder Bereichs).
Die IMS bildeten unter den aktiv arbeitenden IM (also IMB, IME und IMS) die zahlenmäßig größte Gruppe. Sie wurden vom MfS vorrangig zur Informationssammlung in und zur Kontrolle von Betrieben, gesellschaftlichen Einrichtungen, Forschungs- und Bildungsstätten sowie staatlichen Institutionen eingesetzt.
- IMK: Inoffizieller Mitarbeiter zur Sicherung der Konspiration.
IMK arbeiteten zwar i.d.R. nicht aktiv für das MfS, waren jedoch für dessen Tätigkeit sehr wichtig:
- IMK/KW stellten Räume zur Verfügung (Konspirative Wohnungen ? bzw. Zimmer, v.a. für Treffs von Führungsoffizieren mit IM).
- IMK/DA empfingen als Deckadresse Post für das MfS.
- IMK/DT ließen die Benutzung ihres Telefons für konspirative Vorgänge zu (Decktelefon) - angesichts des Mangels an Anschlüssen keine belanglose Tatsache.
Wurde im internen Gebrauch des MfS unter Weglassung der Kategorie kurz von "IM" gesprochen, so war damit Inoffizieller Mitarbeiter der Abwehr gemeint.
Es gab noch eine weitere (und mit ca. 33.000 Personen recht große) Gruppe von IM, die sich von den genannten in einigen Punkten unterschied - die
- GMS: Gesellschaftliche Mitarbeiter (für) Sicherheit.
Die GMS hatten ebenfalls Informationen zu sammeln, konnten bzw. sollten aber "progressiv" und "parteilich" auftreten, mussten also ihre Staatstreue nicht verleugnen wie etwa die in oppositionellen Gruppen eingeschleusten IMB. Dabei handelte es sich z.B. um Leiter ? in Wirtschaft und Verwaltung, allerdings nicht um diejenigen, die "von Berufs wegen" quasi "offiziellen" MfS-Kontakt hatten, wie z.B. viele Kaderleiter ?.
Die Verbindung zum MfS sollte vertraulich behandelt werden, was allerdings nicht immer gelang (vgl. Erlebnisbericht). Der populärste DDR-Bürger, dessen GMS-Tätigkeit später bekannt wurde, war sicherlich Sigmund Jähn: Der erste Deutsche im All war ab 1980 im Rahmen des Sicherungsvorgangs (SiVo) "Falke" auch als GMS mit diesem Namen tätig.
Diese besondere Kategorie wurde im Januar 1968 mit der Richtlinie 1/68 eingeführt und hatte auch nach den mit der Richtlinie 1/79 geänderten Arbeitsbedingungen Bestand. Zuverlässige, zur Menschenführung geeignete IM mit "Erfahrung in der operativen Arbeit" konnten im Bedarfsfall "im Auftrag des MfS ... unter Anleitung und Kontrolle eines operativen Mitarbeiters" IM oder GMS führen. Ab 1979 betraf dies speziell die Führung von IME und IMK (s.o.). Vorgesehen war der Einsatz "vorrangig zur komplexen politisch-operativen Sicherung von Bereichen, Territorien, Objekten und Personenkreisen".
Aus mehreren gewichtigen Gründen (Stellenstopp/Kaderrekrutierung, Effizienz/Kontrolle, Umsetzung von Grundsatzdokumenten u.a.) wurden um die Mitte der 80er Jahre die FIM-Gruppen - d.h. die "Kollektive" aus FIM u. geführten IM - in den Bereichen diverser HA/DE zerschlagen bzw. umgewandelt, so etwa bei der HA XVIII. Dabei blieb die Kategorie FIM an sich bestehen, sie wurde nicht aufgehoben. Es gab für einige "bewährte" FIM-Gruppen Ausnahmen von der angestrebten MfS-weiten Auflösung, etwa bei der HA PS (siehe dort).
IM wurden geworben, in allen Fällen geschah dies nach einem IM-Vorlauf. Während dieser Zeitspanne überprüfte das MfS den IM-Kandidaten, sein Umfeld sowie seine Fähigkeiten und Einsatzmöglichkeiten; die Ergebnisse wurden sorgfältig dokumentiert. Kamen der künftige Führungsoffizier, sein Vorgesetzter und gegebenenfalls die mit der "Bearbeitung" des anvisierten Einsatzfeldes befassten Mitarbeiter zu dem Schluss, dass der Kandidat "politisch-ideologisch" ( dies spielte nicht unbedingt eine Rolle) geeignet sei und die Erwartungen des MfS erfüllen würde, so erhielt der Kandidat eine Bereitschafts- bzw. Verpflichtungserklärung vorgelegt, die er zu unterschreiben hatte. In der Regel wurde die gesamte Verpflichtung vom IM per Hand geschrieben.Jedoch muss eingschätzt werden,dass die Art der Verpflichtung immer vom Verlauf des Werbungsgesprächs abhängig war. Die Existenz einer solchen Verpflichtungserklärung wurde nach der Wende und der Auflösung der Staatssicherheit als notwendig für den Beweis einer IM-Tätigkeit angesehen, obwohl es (wenige) Fälle gab, in denen Menschen als IM agierten, die keine solche Unterschrift geleistet hatten bzw. von denen keine unterschriebene Verpflichtungserklärung aufzufinden war. In der Regel verlangte das Ministerium für Staatssicherheit aber diese Unterschrift.
Mit bzw. in der Verpflichtungserklärung wurde im Regelfall ein Deckname vereinbart und dokumentiert. Berichte oder Abschriften von Tonbandprotokollen über Treffs mit dem Führungsoffizier unterzeichnete der IM fortan mit diesem Decknamen. Innerhalb des MfS, d.h. aus späterer Sicht in dessen Akten, wurde der IM stets nur mit seinem Decknamen erwähnt. Dies war ein Ausdruck der auch Stasi-intern herrschenden Konspiration und erschwert die rückwirkende Zuordnung von Treffberichten zu einer konkreten Person. Ein IM konnte im Laufe seiner "Karriere" mehrere Decknamen tragen, Wolfgang Schnur etwa erbat sich nach seinem Jura-Diplom und zur Bestätigung seiner nunmehr gestiegenen Bedeutung einen (fiktiven) Doktortitel - aus "IM Torsten" wurde "IM 'Dr. Schirmer'". Deckname und "Klarname" ließen sich mit letzter Gewissheit nur zuordnen, wenn die entsprechenden Karteikarten (F16 und F22) der MfS-Personenkartei eingesehen wurden.
Im Nachhinein erklärten viele als IM "enttarnte" Personen, vom MfS zur Unterschrift genötigt worden zu sein, was für den konkreten Vorgang des Unterschreibens vielleicht sogar zutraf. Die zur "Gewinnung" von IM eingesetzten psychologischen Methoden waren jedoch ausgefeilt, so dass - eventuell mit Ausnahme mancher IM der Hauptabteilung I - direkte Erpressung insgesamt sehr selten vorkam. Oft lieferten schon die Kandidaten während des IM-Vorlaufes Informationen an ihren Führungsoffizier, und nach Einschätzung von mit der Aufarbeitung der Stasi-Problematik befassten Historikern haben die weitaus meisten IM auf der Basis "politischer Überzeugung" ihre Dienste geleistet. Mögliche finanzielle Vorteile spielten (außer bei den West-IM der Hauptverwaltung Aufklärung) meist eine untergeordnete Rolle, da die dazu verfügbaren Gelder trotz der Finanzkraft der Staatssicherheit für eine regelmäßige nennenswerte Entlohnung der ca. 175.000 IM kaum gereicht hätten. Somit blieb es für das Gros der IM bei symbolischen Geschenken, Belobigungen und konspirativ überreichten Auszeichnungen.
Anmerkung:
In der Zeit direkt nach der Wende wurde das Kürzel IM oft fälschlich mit Informelle Mitarbeiter übersetzt. Dies könnte aus Bemerkungen ehemaliger "Insider" entstanden sein, wonach IM kein - im verqueren Stasi-Deutsch - "formelles" Dienstverhältnis hatten, sondern lediglich "informell" an das MfS gebunden waren. Die eindeutig korrekte und durch das Auffinden der Richtlinie 1/79 belegte Bedeutung lautet Inoffizielle Mitarbeiter.
Literatur:
- Helmut Müller-Enbergs: Inoffizielle Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit; Ch. Links Verlag, Berlin. Band 1 - Richtlinien und Durchführungsbestimmungen (1996, ISBN 3861531011 ); Band 2 - Anleitungen für die Arbeit mit Agenten, Kundschaftern und Spionen in der Bundesrepublik Deutschland (1998, ISBN 3861531453 )
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