Der Begriff Spionage wurde in der DDR nur für die tatsächliche oder behauptete "Feindtätigkeit" westlicher Geheimdienste verwendet: Spione waren die, die waren die, die die DDR ausspionierten - Kundschafter waren die eigenen Leute, die andere Länder ausspionierten. (Siehe auch: DDR-Sprache)
Gegen andere Staaten gerichtete Spionageaktivitäten aus eigener Sicht der SED waren Aufgabe des MfS. Sie wurden allerdings nie so bezeichnet, sondern es gab eine - evtl. gewollte - Begriffsverwischung zwischen Abwehr und Aufklärung.
Während man rückblickend die durch die MfS-Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) und durch den Mil-ND betriebene "Aufklärung" korrekt auch als Spionage bezeichnen kann, trifft der Umkehrschluss nicht zu: D.h. es gab Spionageaktivitäten, die nicht in den Zuständigkeitsbereich der Auslandsnachrichtendienste fielen.
Im Sprachgebrauch des MfS hieß dies "Arbeit im und nach dem Operationsgebiet". Diese war Aufgabe der meisten Abwehr-Diensteinheiten des MfS und konnte sowohl das Führen von IM im Ausland beinhalten als auch ganz allgemein das Sammeln von Informationen über das (bzw. im oder aus dem) Operationsgebiet.
Insofern waren z.B. auch die HA XVIII, HA II oder die HA XXII mit "Spionage" befasst.
Die Spionage westlicher Geheimdienste (z.B. des BND der BRD) gegen die DDR sowie die Abwehr von deren "Stör- und Feindtätigkeit" waren ein immerwährendes Beobachtungs- und Beschäftigungsfeld des MfS (siehe HA II).
Tendenziell überschätzte das MfS fortlaufend das Potenzial der gegnerischen Dienste. Die Zahl der aufgedeckten Spionagefälle in der DDR ging während ihrer gesamten Geschichte zurück, im gleichen Maße, wie das MfS seine Anstrengungen für solche Nachweise verstärkte. Es handelte sich also recht eindeutig um politisch - durch die Befürchtungen der SED-Spitze - bedingte Ressourcenverschwendung.
Die Angst vor westlicher Spionage nahm teils groteske Züge an, sie äußerte sich unter anderem in den übertriebenen Geheimhaltungsvorschriften und Sicherheitsüberprüfungen in weiten Teilen des Staatsapparates und der Volkswirtschaft.
Darüber hinaus gab es etliche Fälle, in denen DDR-Bürger vom MfS wegen Spionage- und Sabotageverdachts bearbeitet wurden, z.B. in Betrieben, wenn Schuldige für verschleißbedingte Havarien gesucht wurden. Entsprechende Ermittlungen nahmen in der HA XVIII extrem viel Zeit in Anspruch.
Trotzdem konnte in der gesamten DDR nach 1984 nur ein einziger (!) Fall soweit ermittelt werden, dass mit dem Verdacht der BND-Verbindung eine Übergabe des Vorgangs an die Untersuchungsabteilung des MfS erfolgte (OV ? "Hydra" in Dresden, 1985).
|