Die Bildungspolitik stellte in der DDR eine der wichtigsten Interessensphären der Partei- und Staatsführung dar. Schlaglichtartig veranschaulichen lässt sich dies an den unzähligen Äußerungen von Erich Honecker - dem Generalsekretär der SED - zu seiner enormen Wertschätzung der "Jugend", und an dem fast zwei Jahrzehnte lang von seiner Ehefrau Margot bekleideten Amt als Ministerin für Volksbildung ?.
Ziel der Bildungspolitik war die Erziehung von allseits gebildeten sozialistischen Persönlichkeiten. Es gab "vertikal" die Vorschul- und Schulbildung, die Fachschul- bzw. Berufsbildung und die Hochschulbildung. Zur allseitigen Bildung zählten "horizontal" nach dem Erwerb grundlegender Fähigkeiten
- die naturwissenschaftliche und sprachliche,
- die gesellschaftswissenschaftliche (weltanschauliche bzw. politische) Bildung,
- ferner die Körperertüchtigung (Sport) und mit zunehmender Militarisierung der Gesellschaft auch die Wehrerziehung ?.
In gewissen Grenzen waren diese Bereiche gleichberechtigt, was zu bemerkenswerten Phänomenen führte - wie z.B. der Verweigerung des Hochschulabschlusses bei unzulänglicher Arbeit im Fach Marxismus-Leninismus, der Überbetonung des Sports als Pflichtfach auch während des Studiums, oder der Verpflichtung zum Erlernen der russischen Sprache an allen höheren Bildungseinrichtungen. Es gab verschiedene offizielle und halboffizielle Möglichkeiten, mangelhafte Leistungen in bestimmten Bereichen durch sehr gute Leistungen etwa im Sport auszugleichen.
Nach Einführung der Wehrpflicht wurde die Teilnahme an (vor-)militärischen bzw. Reservistenübungen im Rahmen der Hochschulbildung Pflicht, in den 80er Jahren gab es an den Schulen (POS) in der 9./10. Klasse obligatorischen Wehrkundeunterricht.
Während der gesamten Existenz der DDR dominierte die "klassische" Volksbildung die Bildungspolitik, wobei zunächst Zehntausende Neulehrer geworben wurden, um "belastete" oder im Krieg gefallene Lehrkräfte zu ersetzen. In der Frühphase spielte daneben die politische Bildung für Erwachsene eine wichtige Rolle, mit der Kader für die SED und für Führungspositionen in der Volkswirtschaft, im Staatsapparat und in den Massenorganisationen sowie wiederum für Bildungseinrichtungen gewonnen wurden.
Eine Besonderheit waren die Bildungsstätten speziell für junge Arbeiter und Bauern bzw. für deren Kinder. Diese Bevölkerungsgruppen (Klassen) wurden gezielt gefördert und etwa an den Arbeiter-und-Bauern-Fakultäten zur Hochschulreife geführt. Sie sollten mittelfristig die Angehörigen des "Bürgertums" und deren Nachkommen an den gesellschaftlichen Leitungspositionen ersetzen, an denen eine Hochschulqualifikation unabdingbar war. Die Aufgabe wurde in den 60er Jahren für gelöst erklärt, und die ABF wurden aufgelöst.
Eine andere vermutlich DDR-spezifische Eigenart bestand in der Äquivalenz, eventuell sogar Höherwertigkeit von Abschlüssen in gesellschaftswissenschaftlichen Fächern gegenüber denen in den Naturwissenschaften. Ein Diplom der höchsten "Kaderschmiede" - der Parteihochschule der SED - oder gar einer sowjetischen Uni bzw. Akademie war hinsichtlich der persönlichen Karriere wesentlich mehr wert als z.B. ein exzellenter Abschluss als Physiker oder Ingenieur. Die Bildungspolitik in der DDR forcierte die gesellschaftswissenschaftliche Bildung mit allen Mitteln, teils zu Lasten der anderen Bildungsbereiche.
Die Bildungslandschaft war vielerorts durch einen Mangel an geeigneten Lehrkräften charakterisiert. Wer sich frühzeitig verpflichtete, ein Pädagogik-Studium aufzunehmen, konnte sich eventuell dadurch einen der begehrten EOS-Plätze sichern; ähnlich war es auch mit den Bewerbern für eine NVA-Offizierslaufbahn. Trotz aller Bemühungen der Bildungspolitik und obwohl ein "Entkommen" aus der Volksbildung schwierig war, änderte sich bis zum Ende der DDR 1989 wenig am Lehrer- und Dozentenmangel.
Die in der DDR-Volksbildung besonders augenfällige "Gleichmacherei", die sich für Außenstehende bzw. im Rückblick womöglich als "typisch sozialistisch" oder "kommunistisch" darstellt, hatte neben den potenziellen Nachteilen z.B. für die Persönlichkeitsentfaltung auch unübersehbare Vorteile. So führten die Ausstattung mit einheitlichen Schulbüchern und die zentral fest gelegten Lehrpläne (und Prüfungsaufgaben) zu einem soliden Grundwissen beim Großteil der Schulabgänger. Natürlich diente die zentralistische Struktur auch einer möglichst reibungslosen Umsetzung von Entscheidungen der SED-Führung bis hinein/hinunter in jede Schule. Die Organisationsprinzipien der Bildungseinrichtungen erinnerten vielfach an militärische Strukturen, das hatte außer den angesprochenen machtpolitischen aber auch ökonomische Gründe. Der Einfluss dieses Systems auf die Bildungsqualität ist strittig.
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