Militarisierung

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Die Militarisierung der Gesellschaft in der DDR betraf im Laufe der vier Jahrzehnte ihrer Existenz bis zur Wende praktisch jeden einzelnen ihrer Bürger. Die große Mehrheit der Bevölkerung war mit der Militarisierung und ihren unangenehmen Effekten (s.u.) nicht einverstanden, musste sie aber spätestens seit dem Mauerbau hinnehmen.

"Nur schwer kann man sich einen Staat vorstellen, der im tiefsten Frieden stärker militarisiert war als die DDR."*
    - Stefan Wolle in Die heile Welt der Diktatur. Alltag und Herrschaft in der DDR 1971-1989.

Tiefere Ursache der Militarisierung war die exponierte Lage der DDR an der "heißesten" Grenze, an der Nahtstelle zwischen den östlichen und westlichen Militärblöcken. Im Falle eines Krieges wäre das Territorium beider deutscher Staaten die Hauptkampfzone gewesen. Darauf wollte die SED vorbereitet sein und richtete daher faktisch alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, die ihrem Einfluss unterlagen, zunehmend militärisch aus.

Einziger Freiraum war die Kirche, da hier die (offizielle) Macht der Partei endete. Demzufolge sammelte und artikulierte sich Protest vorrangig in Gruppen unter dem Dach der Kirchen.

Erscheinungen der Militarisierung:

In der Volksbildung gab es nicht nur (ab 1978) den Wehrkundeunterricht. In den Schulbüchern wurden im Übermaß militärische Beispiele angeführt, um den Stoff zu illustrieren.

Aus dem Physiklehrbuch für Klasse 12 (1987)

Auf die Heranwachsenden wurde durch Lehrer und durch die FDJ Druck ausgeübt, einen militärischen Beruf zu ergreifen oder "wenigstens" eine Verpflichtung zum Dienst als Soldat auf Zeit (3 Jahre) abzugeben. In den späten 70er und in den 80er Jahren stieg die vom Ministerium für Volksbildung ? unter Margot Honecker vorgegebene und durchgesetzte Planauflage für Berufsoffiziersbewerber unter den Abiturienten von zunächst 530/Jahr auf 3730 (1982) und schließlich über 4500 jährlich (1985). Bei der Erfüllung dieses Ziels halfen die an militärischen Strukturen orientierten "Befehlsketten" in der Volksbildung.

  • Wirtschaft
Die Rüstung war zwar nicht der Hauptgrund für den ökonomischen Niedergang und die letztendliche Pleite. Dennoch stellten die zentral festgelegten Plan ?ziele der Rüstungsgüterproduktion für die betroffenen Betriebe oftmals schwere Bürden dar. Die gemäß LVO ? zu liefernden Ausrüstungen und Zulieferteile mussten häufig unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen produziert werden. Außerdem sollte die so genannte Spezielle Produktion bevorzugt werden, was Kapazitäten band und den allgemeinen Mangel verschlimmerte. Der Rüstungsanteil am gesamten Ausstoß der DDR-Industrie dürfte zuletzt zwischen 5 und 10% gelegen haben - das war die absolute Kapazitätsgrenze.
In der SPK ? existierte dafür eigens ein "Militärbereich", dessen Zahlen im Staatsplan ? -natürlich- Verschlußsache waren.

Die Militarisierung in der Wirtschaft zeigte sich darüber hinaus in den detaillierten Plänen für den Verteidigungsfall, die in allen wichtigen Betrieben, Kombinaten und Bereichen ausgearbeitet wurden (bekannt z.B. aus dem Bereich KoKo).

Ein weiterer Faktor waren die Kampfgruppen. Hinzu kamen Probealarme, ZV-Veranstaltungen u.v.a.m.

  • Alltag
Aus dem Straßenbild waren die vielen Uniformen nicht wegzudenken. Sie gehörten zur NVA und den Grenztruppen, deren Wehrpflichtige in Uniform den Ausgang und Urlaub antreten mußten. Die "Kräfte" der Volkspolizei mit Bereitschaftspolizei und Transportpolizei, teilweise das MfS (Stasi), der Zoll ?, die Zivilverteidigung und die Feuerwehr trugen Uniform. Aber auch die Mitarbeiter der Reichsbahn und der Deutschen Post trugen militärisch anmutende Uniformen mit Dienstgraden.
Hinzu kam die hohe Zahl sowjetischer Truppen, deren Fahrzeuge auf den Straßen allgegenwärtig waren. Die Offiziere gehörten in Uniform zu dem Bild vieler Städte.

In Berlin wurde wöchentlich die Große NVA-Wachablösung ? an der Neuen Wache, dem so genannten Mahnmal für die Opfer von Faschismus, Militarismus und Krieg ? (!) zelebriert, was den Innenstadtverkehr erheblich beeinträchtigte.

Das für viele ausländische Besucher prägendste (und vielen DDR-Bürgern erinnerliche) Zeichen der permanent beschworenen Kriegsgefahr und -vorbereitung war die jeden Mittwoch um 13 Uhr zu hörende Sirenenprobe ?. Dann heulten im ganzen Land Sirenen, die auf öffentlichen Gebäuden, Schulen, Bahnhöfen montiert waren.



(* Anm.: Die Bezeichnung im tiefsten Frieden ist angesichts des Kalten Krieges gewiss problematisch.)






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